Am letzten Augustwochenende fand die erste Ausgabe vom Trainside Festival statt. Auf dem Gelände des Braunschweiger Lokparks lieferten Schienen, historische Loks und Wagons einen einmaligen Charme. Auf der außen gelegenen Schiebebühne und der Spielfläche in der Lokhalle traten 14 nationale und internationale Acts auf. MUSICSPOTS war bei der Premiere dabei.
Viel Deutsch Pop und Rock am Freitag
Angekommen am Hauptbahnhof in Braunschweig wurden die Festivalbesucher und die, die es werden wollten, an der Welcomestage in Empfang genommen. Hier bekam man einen kleinen Vorgeschmack auf zwei, drei Acts des Tages. So konnte auch ich einigen Songs von Michel von Wussow lauschen, bevor ich überhaupt das Festivalgelände betrat.
Die Regenjacke war zu Beginn des ersten Tages ein treuer Begleiter. Doch zunächst startete das Festival in der Lokhalle. Diese versprühte mit einer alten Dampflok und Industriecharme eine große Portion Flair. Eröffnen durfte die Band Zelten, die Heimspiel hatten. “Kein Festival ohne Zelten“, sagte die Band selbst während ihres Gigs. Musikalisch sind sie dem leichten und gefälligen Deutschrock zuzuordnen, ohne jedoch besonders aufzufallen. Gleichwohl lies die Band beim Rio Reiser Cover zu Halt dich an deiner Liebe fest, ihr Können aufblitzen.
Wie es an diesen beiden Festival Tagen schnell zur Gewohnheit wurde, ging es auf der großen Außenbühne weiter. Erneut Michel von Wussow, ein Künstler, der sich auf der Bühne buchstäblich verausgabt und spürbar Bock hat, live zu agieren. Sein Song Atmen, über eine Freundin, die zusammengebrochen ist, war eine Hymne innerer Befreiung.
Anschließend gab es eine musikalische Pause und “Spoken Words” von Línus Volkmann. Zwischen Dosenstechen und Stalking an Tocotronic gab es während der Vorlesung einiges zu lachen. Wieder draußen fiel auf, dass sich mittlerweile deutlich mehr Besucher:innen auf dem Gelände eingefunden hatten. Auch wenn es noch nicht dunkel war, so waren Die Sterne zu hören und zu sehen. Die Band habe ich bereits in Hamburg beäugen können, in Braunschweig haben sie mir jedoch wesentlich besser gefallen! Spätestens ihr Lied Hallo Euphoria weckte auch meine Euphorie.
Von Südafrika bis Schweden
Sehr abgeklärt wirkte Charlotte Brand, der das Publikum nun lauschen durfte. Ihre kleine Show klang bei den ersten Liedern speziell und wurde im Laufe des Auftritts harmonischer. Im Gegensatz zur Außenbühne machte sich hier erstmal bemerkbar, wenn Leute sich eher eigenen Gesprächsthemen widmeten, als der ansprechenden Musik zuzuhören. Zwei Songs gab sie solo ohne ihre Band zum Besten. Eine dieser Nummern auf englisch und somit der erste englischsprachige Song des Festivals.
Mit Alice Phobe Lou stand nun die Künstlerin auf dem Parkett, auf die ich mich am Freitag am meisten gefreut habe. Auch wenn die Künstlerin selbst eher klein ist, durch den Spaß, den sie versprüht und ihre Ausstrahlung, nimmt sie die ganze Bühne für sich ein. Besonders schön war es, immer wieder Songs ihres Albums Glow zu hören, insbesondere auf Dirty Mouth hatte ich mich gefreut.
Das große Finale leitete die schwedische Band Friskar Viljor ein. An den Shirts vieler Besucher:innen war deutlich zu sehen, dass dieser und der nachfolgende letzte Act die Publikumsmagneten waren. Die Indie-Pop Band heizt ordentlich ein und sorgt für ausgelassene Stimmung. Als Mainact stand die Band Tocotronic auf der Bühne. Von Jungs der Band kann man lange nicht mehr sprechen. Deutlich zu sehen, dass Tocotronic bereits 30 Jahre als Band zusammen spielen. Es wirkte jedoch zunächst befremdlich: In die Jahre gekommene, reife Männer, doch lauter Stofftiere auf der Bühne. Doch keine Frage, die Bandmitglieder sind alte Hasen und haben es drauf das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Noch in der anschließenden Bahnfahrt nach Hause verfolgte mich ihre Nummer, Aber hier leben, nein danke! Nicht “Nein Danke”, sondern mit viel Vorfreude sollte es am Samstag weitergehen.
Zwischen Balladen und Sekundenschlaf
Der Samstag versprach viel besseres Wetter und ein weitaus internationales Teilnehmerfeld. Gestartet wurde mit ruhigen Tönen, denn als erste betrat VINTER die Bühne. Die Hannoveranerin überzeugte in der Lokhalle mit Lieder ihres Albums Seasons. Mit Hi and goodbye hatte sie auch einen noch nicht veröffentlichten Song im Gepäck. Draußen legte anschließend Paul Weber mit bodenständigem deutschsprachigen Pop-Rock los. Besonders sein Song 110 km/h ließ mich aufhorchen, da er vom Sekundenschlaf handelte. Eine Erfahrung, die ich in diesem Jahr, glücklicherweise ohne Folgen, unfreiwillig auch machen musste. Obwohl man jetzt voll im musikalischen Fluss war, ging es mit einer Lesung weiter. Zunächst skeptisch war ich dann von Frank Gossens begeistert. Eine Stimme, die man aus Sportübertragungen kennt. Seine Geschichten aus der Welt des Fußballs sorgten für Lacher und waren gute Unterhaltung.
Weiter ging es mit einer der schönsten Stimmen Österreichs: OSKA stand auf der Bühne. Ihre meisten Songs sind eher Popballaden und wie sie selbst sagte: außer den eineinhalb tanzbare Nummern. Ausgesprochen schön war der Song ABC, bei dem es sich darum dreht, dass sich zwei Freunde (A und C) verlieben und man selbst (B) steht dazwischen. Courtney Marie Andrews war als nächstes an der Reihe. Solider Pop und Country, aber wirklich begeistern konnte mich die US-Amerikanerin nicht. Ganz anders hingegen Wallis Bird, die, sobald sie auftrat, abgeliefert hat. Mit ordentlich “Hummeln im Hintern” und energiegeladen gab sie eine Mischung aus Pop, Rock und Folk zum Besten. Dabei war der jeweilige nächste Song laut der Künstlerin “Der Hammer”. Sie verstand es, mit dem Publikum zu spielen und es zu unterhalten.
Von wegen toter Süden
In sichtbar neuer Bandbesetzung war es nun Zeit für The Gardener and the Tree aus der Schweiz. Stimmgewaltiger Folk mit Trommeln, der tief unter die Haut ging. Oftmals Songs zum Mitsingen. Besonders das Lied Meantime Lover passte perfekt zur rauen Stimme von Sänger Manuel Felder. Das große Finale lieferte The Death South aus Kanada. Von Anfang bis zum Ende schafften sie eine Atmosphäre, die einen in den modernen wilden Westen schickte. Die Kanadische Band belebt den typischen Bluegrass wieder, in dem neben Gitarren auch Banjo und Mandoline wichtige Rollen einnehmen. Eine echter Headliner für dieses Festival.
Das Musikprogramm lieferte an beiden Tagen einen stimmigen Mix. Dabei war das Gelände so, als hätte es nur auf ein Festival wie dieses gewartet. Die Stimmung war stets gelassen, das Team zeigte sich kompetent und war immer freundlich und hilfsbereit. Einzig beim Catering besteht aus meiner Sicht Nachholbedarf. Während es viele Getränkestände, ja sogar eine Bockbier Bar gab, waren die Essensstände eher spärlich. Ein einfacher Grillstand hätte dabei schnell Abhilfe geschaffen.
Letzten Endes ein Festival, das seine Bewährungsprobe mehr als nur bestanden hat. Wir freuen uns auf eine Wiederholung an Ort und Stelle im kommenden Jahr!
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