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Rückblick Festivals & Open Air 2022 – Teil 1

Endlich wieder Livemusik im Freien. Wir blicken zurück auf die erste Hälfte des Festival Sommers 2022. Aus der Redaktion heraus schildern Miriam, Dirk und Larissa ihre Eindrücke, geben Stimmungsbilder wieder und beleuchten auch die negativen Seiten der ersten Veranstaltungs-Saison unter freiem Himmel seit 2 Jahren. 

Reisen von Hamburg über Bremen und Hannover nach Köln und Dortmund führten die drei Redakteur:innen auf die Breminale, das Way Back When oder DCKS Festival. Gefeiert wurde mit großen internationalen Stars wie den Red Hot Chili Peppers und nationalen Größen wie die No Angels und Wilhelmine.

Gedanken Miri: 

Seitdem sich die Sonne nicht mehr hinter einer Wolkendecke versteckt und es länger hell bleibt, zieht es die Leute wieder nach draußen. Litfaßsäulen, Straßenlaternen und Grünflächen sind geschmückt mit Werbebannern zu Open Air Veranstaltungen, die die Menschen die letzten zwei Jahre ohne Livemusik vergessen lassen wollen. 

Das Angebot reicht von kleinen Gigs in der Kneipe nebenan bis hin zu großen Festivals, die eine gesamte Stadt in Beschlag nehmen und hunderttausende Besucher:innen anlocken. Ich habe es vermisst: Die Live-Musik, das gemeinsame Tanzen und Jubeln – selbst das Anstehen an der Pommesbude oder am Bierstand kann meine Laune nicht trüben. Überall um mich herum feiern Leute ausgelassen und zelebrieren einen Sommer, der in der Form lange nicht möglich war. Viel zu lange währte die Pause und mittlerweile eingestaubte Tickets an der Kühlschranktür warten sehnsüchtig darauf, endlich zu unvergesslichen Erinnerungen zu werden. Im vergangenen Herbst hätte ich nicht gedacht, dass das Stadionkonzert der Red Hot Chili Peppers im Juli mit 50.000 Zuschauer:innen in Hamburg tatsächlich stattfindet. Als nach Thundercat und ASAP Rocky endlich Flea, John Chad und Anthony auf die Bühne hüpfen gab es kein Halten mehr.  

Tickets werden zu unvergesslichen Erinnerungen

Als Musikerin freut es mich, wieder Open-Air Gigs zu spielen und einen Teil dazu beizutragen, dass die Leute ihren Alltag für einen Moment vergessen können. Ich habe das Gefühl, dass die Wertschätzung, die einem entgegengebracht wird, echter ist und von Herzen kommt. Auch als ich als Besucherin auf dem Tag der Niedersachsen oder dem Fête de la Musique in Hannover unterwegs war, erlebe ich durchweg freundliche und glückliche Menschen, die sich an den zahlreichen Bühnen tummeln. Ich hoffe sehr, dass uns diese positive Stimmung erhalten bleibt und nachhaltig etwas dazu beiträgt, dass Live-Musik endlich wieder den Wert bekommt, den sie verdient. 

Gedanken Dirk:

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Open Air ist für mich das Gefühl, wenn Sommer und Leichtigkeit auf Freiheit und Ausgelassenheit treffen. Die Besucher von Festivals sind meist locker drauf, freundlich und gut gelaunt. Das schafft eine Atmosphäre, wie ich sie zuletzt am Bremer Osterdeich während der Breminale erleben durfte. Bei den Auftritten der Bremer Band LENNA und der Sängerin Wilhelmine wurde dieses mehrtägige Festival gebührend beendet. Beim Verlassen des Geländes hatte ich durch die diversen Stände und Zelte den Eindruck, einen großen musikalischen Zirkus hinter mir zu lassen. Glücklich, wie ein Kind, das die Manege nach der Aufführung verlässt, habe auch ich mich gefühlt. 

Bei dem Way Back When Festival in Dortmund war es ebenso, nur hatte man dort immer einen Locationwechsel. Jeweils ein Act im Club und dann wieder einer Open Air. Das Ganze war dermaßen entspannt und ausgelassen, dass sich die Acts, die gerade nicht auf der Bühne standen, unter die Besucher mischten. Das verstärkte dieses familiäre Gefühl zwischen Publikum und Künstler:innen.

Gute Laune trotz unsicherer Lage 

Weiterhin trübt Corona diese schönen Erlebnisse und erschwert Musiker:innen, Fans und Veranstalter:innen die Planung und Umsetzung von Festivals und Open Airs.  So musste das PULS-Festival aus Sicherheitsgründen abgesagt werden, denn die Security war völlig unterbesetzt. Dies hieß Heimkehr für zahlreiche Besucher:innen, die schon vor Ort waren. Zudem haben endlich Konzerte stattgefunden, die bereits vor über zwei Jahren terminiert waren.

Ob man nach solch einer Zeitspanne den neuen Termin als Besucher:in wahrnehmen kann, ist oft fraglich. Zudem haben es Veranstalter:innen und Ticketverkäufer:innen im gleichen Zeitraum nicht geschafft, eine vereinfachte und schnelle Rückabwicklung einzuführen.

Konzertbesucher:innen sind oftmals vorab positiv gestimmt, nicht aber wenn der Coronatest positiv ausfällt. Eine unkomplizierte Ticketrückgabe ist oftmals nicht möglich. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man dem langfristigen Ticketerwerb eher skeptisch und vorsichtig gegenübersteht. Bei den steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten drehen viele den Euro zweimal um.

Doch genau das setzt eine Kette in Gang, die dazu führt, dass Events einen schlechten Vorverkauf aufweisen. Während dies bei Großveranstaltungen meist nicht so stark spürbar ist, müssen Veranstalter:innen, Bands und Musiker:innen kleinerer Gigs oft die Notbremse ziehen und absagen! Frust auf beiden Seiten der Bühne ist dadurch vorprogrammiert.

Die Unsicherheit im Umgang mit der aktuellen Lage und die sich wieder häufenden Absagen durch ausbleibende Ticketverkäufe beleuchtet auch Linus Volkmann im Musikexpress. Ein guter Artikel, den wir als Lesetipp weitergeben mögen.

Gedanken Larissa:

Nach zweijähriger Zwangspause ist die allgemeine Freude über die Konzert-Rückkehr deutlich spürbar. Freunde und Bekannte, die Live-Events sonst eher nur von YouTube kannten, sprinten nun von einer Konzert Location zur nächsten.

Neben den neuen Musikliebhaber:innen feierten auch verschiedene Veranstaltungen ihre Premiere, so wie das Dcks Festival in Köln. Das Ganze wurde von Carolin Kebekus ins Leben gerufen und sollte ein Protest gegen die meistens männlich dominierten Line-Ups der großen Festivals sein. An diesem Tag durften nur weibliche Künstler:innen auf die Bühne und zeigten, dass Gründe wie „Es gibt nicht genügend talentierte Frauen, sonst würden wir diese natürlich buchen“ ziemlicher Quatsch sind. (Rock am Ring, are you listening?)

Dcks_Annie_Chops_by_Marcsfirm

Alles neu und noch mehr

Auch wenn die Talkrunden, welche nach jedem Act abgehalten wurden, die Stimmung immer wieder etwas ausbremsten, schien Jede:r eine gute Zeit zu haben. Es würde mich freuen, wenn das Dcks-Festival nächstes Jahr in die zweite Runde geht und erneut zeigt, wie viele großartige Künstler:innen dieses Land zu bieten hat.

Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen des Panama Open Air Festivals dann ebenfalls eine Karte hierzu hinzulegen und sich ein bisschen genauer beim Booking umschauen. Das Line-Up dieses Jahr war nämlich Alles, aber nicht divers. Auf dem Programm standen durchweg nur  männlichen Acts.

Dennoch muss man den Macher:innen zugute halten, dass die Stimmung vor Ort äußerst ausgelassen, positiv und respektvoll war. Das Gelände wirkte so einladend und mit Liebe dekoriert, dass den Besucher:innen sofort ein Grinsen ins Gesicht gezaubert wurde.

Nachhaltig feiern

Doch bei all der Freude über die Rückkehr von Konzerten und Live-Events, fallen auch die negativen Aspekte dieser Veranstaltungen ins Auge. So sahen die Rheinauen in Bonn, der Veranstaltungsort des Panama-Festivals, deutlich mitgenommen aus, nachdem 40.000 Besucher über den Rasen stolperten. Insbesondere die Müllberge vor dem offiziellen Eingangsbereich häuften sich nicht nur an den Festival-Tagen, sondern auch noch zwei Wochen danach. Folglich diskutierten die Stadt und der Veranstalter:innen darüber, wie weit die Reinigungspflicht eigentlich reicht, wer für die Beseitigung des ,,kleinen Mülls“ á la Zigarettenstummeln verantwortlich ist oder ob denn die Reinigungsfirma nicht sorgfältig gearbeitet hat.

Um diese Art der öffentlichen Schlammschlacht zu vermeiden und insbesondere um die Natur zu schützen, stelle ich mir viel mehr die Frage: Was ist nötig um diese Müllmassen zu verhindern und die Natur rund um das Festivalgelände nicht nachhaltig zu schädigen? Es führt uns zu dem altbekannten und dennoch gerne ignorierten Problem des Klimaschutzes. Ich freue mich, dass Konzerte und Live-Events endlich wieder stattfinden dürfen. Aber würde mich noch mehr freuen, wenn sowohl Veranstalter:innen als auch Besucher anfangen mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist an der Zeit neuere und grünere Konzepte zu entwickeln, um ausgelassen feiern zu können, ohne das Klima massiv zu gefährden.

Zwischenfazit: Nach der langen Zeit, in der Konzerte, Festivals und Open Airs nur begrenzt, ode gar nicht möglich waren, ist es gut wieder Livemusik im Sommer geniessen zu können. Das Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein ein sehr guter und wichtiger Punkt. Denn nur, wenn wir beim Feiern direkt an die nächste Generation denken, können wir unbeschwert in die Zukunft schauen.

Wir werden weiter auf die grünen Veranstaltungskonzepte, aber auch fehlende Einnahmen durch Ticketverkäufe, Unsicherheiten in Planungen sowie das ausgeglichene Bühnenprogramm im zweiten Teils unseres Festivals Rückblicks 2022 eingehen. 

Ihr habt auch ein Feedback zur Konzertsaison 2022, das ihr gern mitteilen wollt? Dann schreibt uns.

Fotocredit: Breminale, Way Back When Festival by Dirk Kippermann, Dcks Festival by Larissa. und Annie Chops by Marcsfirma.