Die Thematiken rund um Nachhaltigkeit und Umweltschutz erlangten in den letzten Jahre zunehmend Aufmerksamkeit und schafften ein Bewusstsein für einen nachhaltigeren Lebensstil.
Besonders die Autoindustrie mit E-Autos, die Fashionindustrie mit Fast-Fashion und die Lebensmittelindustrie mit Fleischprodukten werden dabei häufig beleuchtet. Doch auch die Musikbranche, insbesondere Festivals, tragen unweigerlich zur Umweltverschmutzung bei.
Ich habe mit Milena Blandon, der Nachhaltigekeitsbeauftragten des NORDEN Festival, Caoimhe McAlister, Mitverantwortliche des Primavera Sound Festival und Katharina Aulbach, Organisatorin des SWAMP-Festival gesprochen. Sie haben verraten ob und inwiefern die genannten Festivals nachhaltige Konzepte umsetzen und wie sie diese zukünftig ausbauen möchten.
Müllberge und Treibhausgase
Großveranstaltungen finden meist in abgelegenen Gebieten wie Wiesen oder Wäldern statt, um möglichst viel Platz zu bieten, Camping- und Parkmöglichkeiten zu schaffen und um Nachbarn etc. nicht mit der schallenden Musik zu belästigen. Die Problematik liegt allerdings darin, dass es dort häufig keinen Strom, Wasser, Supermärkte oder Sanitäreanlagen gibt und dadurch auf Einwegbecher, Dieselmotoren und Dixi-Klos zurückgegriffen werden muss, um den Besucher:innen eine möglichst angenehme Zeit zu ermöglichen.
Auch die Konzertkartenbesitzer:innen schleppen Kistenweise Zelte, Kühlschränke ect. auf das Festivalgelände um auf den gewohnten Komfort nicht verzichten zu müssen. Bis hier hin verständlich. Allerdings werden rund 44% der Zelte zurückgelassen, ganz zu schwiegen von den Matratzen, Kühlschränken, Konserven und Klappstühlen. Die mangelnde Motivation den eigenen Müll und Schrott wieder einzusammeln sorgt nicht nur für ein verdrecktes Gelände, sondern auch dafür, dass diese Habseligkeiten spätestens im nächsten Jahr, wenn es wieder auf ein Festival geht, wieder neu gekauft werden müssen. An dieser Stelle lässt sich Alligatoah zitieren, der in „Lass liegen“ einst sang:
Bei so billigem Zeug ist es nicht nötig meinen Kram zu schleppen
Nach meinem Picknick mit Fritteusen und Massagesesseln
Man kann mich durch die Spur von leeren Plastikhüllen orten
Sie führt zum Mediamarkt, ich kaufe den Müll von morgen
Auch der Transport der Künstler:innen, die häufig von einer Location zur nächsten fliegen, die Anreise der Crew-Mitglieder, die Beleuchtung der Bühne und das Catering tragen unweigerlich zu einem hohen Co2- Ausstoß bei.
Im Jahr 2019 blieben rund 300 Tonnen Müll nach „Rock im Park zurück“, während das „Wacken Open-Air“ sogar auf 590 Tonnen kommt.
Seit 2019 setzt sich die Organisation „Music Declares Emergency“, welche aus Musiker:innen und Industrie Professionelles besteht, für ein Umdenken innerhalb der Industrie ein. Unter dem Motto ’No Music On A Dead Planet’ fordern sie unter anderem Regierungen dazu auf bis spätestens 2030 einen Netto-Nullpunkt bei den Treibhausgasemissionen zu erreichen.
Nachhaltige Konzepte
Caoimhe McAlister, die seit Jahren für eine Reihe internationaler Künstler:innen, sowie Festivals verantwortlich ist und unter anderem auch das Primavera Sound Festival in Barcelona in Deutschland vertreten hat, sagt uns, dass viele Veranstalter:innen bemüht sind nachhaltiger zu werden: „Der größere soziokulturelle Fokus auf Nachhaltigkeit, der bekanntlich vor allem von den jüngeren Generationen ausgeht, hat die Prioritäten und Strategien von Festivals erheblich beeinflusst, insbesondere von solchen, die sich an ein Publikum der Generation Z richten.“
Dabei werden insbesondere folgende Strategien verfolgt: „Die Klassiker sind die Reduzierung oder Abschaffung von Einwegplastik, die Suche nach umweltfreundlicheren Reisemöglichkeiten für Künstler (z. B. Künstler nicht mit internationalen Flügen für einen Auftritt einfliegen, wie ich es leider oft getan habe!), Anreize für Festivalbesucher, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum und vom Festivalgelände zu fahren.“
Katharina Aulbach führt diesen Punkt noch weiter aus und sagt: „Besonders der Bereich soziale Nachhaltigkeit, wo Begriffe Inklusion und Awareness verankert sind, kommen dabei oft zu kurz. Oder auch die Regionalität von Produkten, wie Getränke und Lebensmittel, oder auch ein regionales Booking, um so Künstler*innen aus dem direkten Umkreis des Festivals zu supporten und so auch Transport- und Anfahrtswege zu minimieren.“
Das NORDEN Festival geht mit gutem Beispiel voran und setzt auf 100% Ökostrom, Mehrweggeschirr und Abfallvermeidung. Außerdem kooperieren sie mit dem Nahverkehrsunternehmen NAH.SH um eine Anreise per Bus und Bahn für die Besucherinnen attraktiver zu gestalten. Auf dem Gelände selbst bieten sie gemeinsam mit RENN.nord die Möglichkeit zu einem aktiven Austausch mit Akteur:innen der sozial-ökologischen Transformation.
Auch das SWAMP- Festival setzt auf „selbstproduzierten Strom, Regionalität von Getränken und Künstler*innen, umweltfreundliche Reinigungsmittel und Hygieneprodukte (Recycling, blauer Engel, ökologisch abbaubar, Mehrweg bei Händedesinfektion, etc.), Mehrweg -Geschirr oder Vermeidung von Verpackungen fürs Essen, ausschließliche Anreise mit Fahrrad oder ÖPNV, Vermeidung von gedruckten Verträgen und GEMA-Listen.“ , wie uns Katharina Aulbach wissen ließ. Sie rief als Mitglied es Clubkombinat Hamburg den Video-Blog „Grüner Puls“ ins Leben. Dort kommen Akteur:innen zu Wort, die sich pionierhaft auf dem Weg gemacht haben für eine enkeltaugliche Verträglichkeit ihres Schaffens. Dabei werden Innovationspotenziale und Inspirationsquellen für das Veranstaltungswesen ersichtlich, die eine größere Aufmerksamkeit und eine Stimme in der Hamburger Kulturlandschaft verdienen.
Zukünftig will das SWAMP-Festival vermehrt auf Wasser- oder Windkühulung setzen und Workshop Angebote zum Thema nachhaltige Veranstaltung und Betrieb von Solaranlagen ausbauen.
Nachhaltigkeit = Höhere Kosten?
Bei Diskussionen rund um Nachhaltigkeit kommt häufig die Frage auf, ob nachhaltige Alternativen gleichbedeutsam mit höheren Preisen für Tickets, Camping und Getränke sind. Die Nachhaltigkeitsbeauftrage des Norden Festivals, Milena Blandon, sagte uns dazu: „Für manche Maßnahmen entstehen Mehrkosten – klar! Es gibt aber auch viele Maßnahmen die Veranstalter*innen umsetzen können, die keine Kosten verursachen oder sogar sparen können.“
Insbesondere die Besucher:innen können teilweise sogar sparen, so Blandon: „Wer eine Zugfahrkarte im SH-Tarif (NAH.SH)* als Anreisebeleg zum Festival nachweisen kann, erhält 5 Euro Rabatt auf ein NORDEN- Ticket an der Tageskasse oder bei bereits gekauftem Ticket einen Getränkegutschein für ein alkoholfreies Getränk nach Wahl.“
Auch Caoimhe McAlister hat keine Zweifel daran, dass durch nachhaltige Konzepte höhere Kosten auf die Veranstalter:innen zukommen, aber: „Mit zunehmender Verbreitung dieser Instrumente und Ansätze werden die Kosten jedoch sinken, und es liegt auch in der Verantwortung der Regierungen und lokalen Behörden, Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu ermöglichen und zu subventionieren, damit DIY- und Kleinprojekte Zugang dazu erhalten. Darüber hinaus können Festivals ihre Ressourcen bündeln, um Werkzeuge und Best-Practice-Ansätze auszutauschen und so die Kosten für Materialien und Fachwissen zu senken.“
Laut Katharina Aulbach haben es die Veranstalter:innen selbst in der Hand ob sie erhöhte Kosten tragen müssen, basierend auf ihren Ideen: „Für uns als Veranstaltenden ergeben sich nicht mehr Kosten, als für andere nicht-nachhaltige Festivals, da es letztlich nur ein Umdenken ist und die Nutzung von anderen Ressourcen, wie in unserem Fall die Sonne und zum Beispiel Recycling-Produkte anstatt chlorgebleichte. Nachhaltigkeit muss nicht mehr Geld kosten, denn die nötigen Produkte sind bereits für den selben Preis erhältlich, z.B. Klopapier. Grundsätzlich sparen wir eher Kosten ein indem wir regionale Produkte einkaufen, die keine hohen Transportkosten haben, regionale Künstler*innen weniger Fahrtkosten benötigen und zum Beispiel der Papierstrohhalm nicht inklusive, sondern nur nach Nachfrage raus gegeben wird“
Fazit
Für McAlister ist ein zu 100% klimaneutrales Festival aktuell nicht vorstellbar. Hohe Energieverbräuche, internationale Reisen und Plastikmüll lassen sich nicht einfach ersetzen.„Andere Maßnahmen sind denkbar, z. B. finanzielle Anreize für das Mitbringen eigener Mehrwegbecher, Anreize für Recycling und Abfallwirtschaft usw.“
Letztendlich lässt sich sagen, dass die Verantwortlichkeit für umweltfreundliche Festivals wohl bei den Veranstalter:innen, als auch den Besucher:innen liegt.
Es scheint nicht zu viel verlangt den eignen Müll und die zuvor hergebrachten Utensilien, wie Zelte, Stühle Kühlschränke ect. bei Abreise wieder ins Auto oder den Koffer zu packen. Häufig wird die Verantwortlichkeit hierfür nicht gesehen, da es nicht das eigene Grundstück ist und so reisen die Menschen unter dem Motto ,,Irgendjemand wird es schon weg machen“ ab. Mit diesem Verhalten tragt ihr unweigerlich zur Umweltverschmutzung und zu einem erhöhten Konsumverhalten bei. Bitte packt eure Mitbringsel wieder ein, verwendet sie beim nächsten Festival wieder und räumt euren Müll eigenständig weg.
Zu den Veranstalter:innen lässt sich sagen, dass es offensichtlich nicht an Nachhaltigenkonzepten mangelt, aber an der Umsetzung. Altbewährte, gut funktionierende Konzerte aufzugeben und Neue auf den Weg zu bringen ist immer anstrengend und riskant. Am Ende des Tages muss aber genau das passieren, um auch unseren Enkelkindern einen Planeten zu hinterlassen auf dem sie die Möglichkeit haben Live-Musik zu lauschen.
Quellen:
https://www.musicdeclares.net/gb/
https://www.edit-magazin.de/nachhaltigkeit-auf-festivals.html
https://www.youtube.com/playlist?list=PLl6X3EHF0w205cysOSKcBWY_BxsSaIfQ1