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Rückblick c/o pop 2023 – Talks, Netzwerken und Konzerte in Köln

Wie geht es der Musikbranche aktuell? Was sagt der Blick in die Zukunft und welche Hürden müssen genommen werden, um endlich eine gleichberechtigte Teilhabe vor, auf und hinter den Bühnen für alle Beteiligten zu ermöglichen? Fragen über Fragen, auf die vom 26.04. – 30.04. auf der c/o pop Convention Antworten gesucht wurden.  Auf dem begleitenden Festival gab es abends zahlreiche Konzerte. Wir blicken gemeinsam mit Besucher:innen und Panelteilnehmer:innen zurück.

Die Krise, in der die Musikbranche steckt, scheint nie enden zu wollen. Kaum hat man sich an sinkende Verkaufszahlen durch Streaming gewöhnt, scheinen künstliche Intelligenzen das kreative Schaffen von Musiker:innen zu bedrohen. Während sich die einen easy Slots auf Festivalbühnen sichern, bleibt anderen weiterhin der Zutritt auf, aber auch hinter die Bühnen der Branche verwehrt. Wie kann das sein?

Geht es beim Musik-Machen und Musik-Konsumieren nicht immer auch um ein gemeinschaftliches Miteinander? Sollten kreative Räume und Bühnen nicht für alle gleichermaßen zugänglich sein? Welche Rolle nimmt die Branche beim Wandel zu einem nachhaltigeren Handeln ein? Die Jubiläumsausgabe zum 20. Geburtstag der c/ o pop bot an zwei Tagen viele Ansätze für Antworten auf diese Fragen.

Ansätze für passende Lösungen

Ansätze? Ja, ihr lest richtig, ich spreche bewusst von Ansätzen, denn aus meiner Sicht eröffneten die Talks oftmals nur die Diskussion zur gemeinsamen Lösungsfindung. Für einen echten Diskurs mit dem Publikum fehlte oft die Zeit im Programm. Platz für gute Gespräche bot zum Glück der Biergarten des Herbrand´s in Ehrenfeld. Aber schauen wir Stück für Stück zurück. 

Im großen und ganzen fühlten sich meine zwei Tage auf der c/o pop Convention und dem Festival abends gut an. Gut geplante branchenrelevante Themen-Panels, ausreichend Zeit für den Wechsel zwischen den Locations und fast immer genügend Platz in allen Räumen, ließen mich entspannt die gebotenen Inhalte aufnehmen. Dank meiner Erfahrung auf ähnlichen Events hatte ich neben der Powerbank auch bequemes Schuhwerk dabei. Wobei für mich als c/o pop Neuling schnell klar war: Diese Musikkonferenz ist eher ein gemütliches Klassentreffen: klein und übersichtlich. Ich würde fast sagen, ein Barcamp für Kenner. Mitten in Deutschland, voller Profis, aber ohne übergroßen Hype, Glitzer und lautes Star-Gewitter. Ganz relaxt zeigten sich alle Teilnehmenden beim Kölsch am Nachmittag in der  Sonne und fachsimpeln über Trends, Vergangenes und Aktuelles. 

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Bevor ich mein eigenes Fazit ziehe, lass ich einige Besucher:innen und eine Panel-Teilnehmerin zu Wort kommen. So erhaltet ihr einen Rückblick aus verschiedenen Blickwinkeln, der auch die volle Zeit des Events umfasst.

c/o pop 2023 by Jack Kulcke

Unter den Teilnehmer:innen war Leandra Preissler. Leandra verantwortet u.a. den Bandpool bei der Popakademie Baden-Württemberg. Als Teil des aktuellen Vorstandes der Music Women* Germany begeistert sie mich immer wieder durch ihren versierten und gezielten Blick auf die Ausgeglichenheit auf allen Bühnen. Mit ihrem eigenen Business PinkPong! bietet sie ein umfangreiches Serviceangebot von Coaching, über Social Media Management bis hin zu Moderationen und Event-Organisation im Musikbusiness. Ihr Feedback: “Begeistert haben mich die Acts Pantha, Domiziana und Betterøv. Es war mein erstes Mal auf der c/o Pop und ich mochte vor allem die Atmosphäre. Den Talk von Liz und Miriam Davoudvandi zu ihrem Podcast „Danke, gut“, hat mich beeindruckt. Es gab zwar einige Talks zum Thema Diversity, doch fand ich es etwas enttäuschend, dass dies bei der Live Besetzung der Bühnen bei der c/o Pop nicht gelebt wurde.”

Brigitte Schröder (Beraterin in der Kreativ- und Medienbranche / mibeg Unternehmens- und Wirtschaftsberatung) war als Branchen-Externe auf der Convention unterwegs und natürlich auf zahlreichen Konzerten. Rückblickend berichtet sie: „c/o Pop ist, wenn man mit einem vorab detailliert ausgearbeiteten Veranstaltungsplan –  Da will ich unbedingt hin! Das möchte ich auf jeden Fall erleben! Mit der/dem möchte ich mich am liebsten austauschen! – auf viele interessierte und engagierte Menschen trifft, mit denen das Treibenlassen und Entdecken von Kunst und (Pop-)Kultur in den Vordergrund rückt. Mit denen man aber auch spürt, dass gemeinsam das Thema Diversität in der Musikbranche vorangetrieben werden kann und nun auf die großen Bühnen gelangen darf, soll und muss! Konzerthighlights: Die großartige BECKS mit ihren tiefgründigen Texten aus ihrem Leben und wirklich variantenreichen Songs. Mein „Wow-Moment“ im Club of Heroines by musicNRWwomen mit der 16-jährigen SORAYAH, die bereits ihr zweites Album veröffentlicht hat.“

Becks @ c /o pop 2023 Credit privat

Zusätzlich zu den Talks der c/o pop Convention lud u.a. der BV Pop die Stipendiaten zum Treffen ein. Aus Hamburg angereist war auch Yannika. Die Musikerin hat im Januar ihre EP The Effect of Time veröffentlicht und nicht nur die MUSICSPOTS Redaktion begeistert. Rückblickend auf die c/o pop berichtete Yannika: „Musikalisch hat mich Black Sea Dahu voll abgeholt. Als Band wirken sie live so harmonisch und super lebendig und dynamisch! Generell galt: Ob Künstler:innen oder Menschen, die hinter uns und der Musik stehen – Alle waren auch zwischen den Panels offen für neugierigen Austausch, ein nettes „Hallo!“ oder ein fettes „Danke!“ von Du zu Du. Da konnte man echt schöne Gespräche führen.“

Unter den Besucher:innen war auch Prof. Alexander Paeffgen. Der Jazz-Pianist und Komponist ist auch Dozent an der Popakademie Baden-Württemberg. Auch wenn er sicher gern parallel auf der Jazz Ahead! in Bremen gewesen wäre, wurde er in zahlreichen Paneltalks gesichtet und abends auch in Clubs. Konnten die Erwartungen an die Veranstaltung mit der Convention und dem Festival erfüllt werden?  Auf Nachfrage teilte er mit: “Die Convention war im Sinne der Netzwerk-Erweiterung eine wirklich gute Sache. Die Panels hingegen haben meine Erwartungen leider nicht erfüllen können, da ich in fast allen Belangen den Blick nach vorne schmerzlich vermisst habe. Die Darstellung eines Status-Quo stand mehr im Vordergrund als die in den Überschriften enthaltenen Zukunftsszenarien. Bei dem ein oder anderen Panel hätte ich mir zudem eine Konzentration auf weniger Gesprächspartner:innen gewünscht. Das Festival konnte durch ein durchweg diverses Programm überzeugen, mit dem Wermutstropfen, dass viele der Konzerte leider vollkommen überfüllt waren. Mein Highlight: Black Sea Dahu.”

Da ich vor allem das erste Panel spannend fand, habe ich auch hier nach einem Feedback gefragt. Unter dem Titel DEI – Die verhinderte Superpower der Musikbranche diskutierten Branchenexpert:innen, wie der Einsatz und die Achtung von Diversity, Equity und Inklusion zu einer Verbesserung innerhalb der Branche führen könnte und was hierzu getan werden muss. Panel-Teilnehmerin Runa Hoffmann betonte die Notwendigkeit bei fehlender Inhouse Expertise auf die Unterstützung von externen Dienstleister:innen, wie ihrer Agentur Same But Different zurückzugreifen. Zusätzlich fordert sie, dass der Wandel gesamtheitlich im Unternehmern umgesetzt wird. “Veränderung muss auch von oben mitgetragen werden und Diversity Management muss Teil der HR und des Unternehmens werden.“

Der Blick zurück auf die c/o  pop 2023

Der Blick auf die verschiedenen Eindrücke zeigt deutlich: Es herrschte gute Stimmung, doch mein Gefühl, dass die Gespräche auf den Bühnen ab und an nicht tief genug gingen, wurde auch von anderer Seite bestätigt. Auch beim Thema Diversity finde ich, kann die c/o pop noch mutiger werden.

Sorayah @ c/o pop, credit privat

Aus meiner Sicht zählte das persönliche Treffen mit Personen, die ich bisher nur virtuell getroffen hatte, ebenso zu meinen Highlights, wie der Besuch neuer Locations. Hinzu kam das Erleben von Bands und Musiker:innen, die ich noch nicht auf Bühnen live gesehen hatte. Wieder zeigte sich: Im echten Leben ist vieles schöner, besser oder fühlt sich realer an. Denn wenn die Instagram-Filter gefallen sind und der letzte Effekt vom Mikro genommen wurde, zeigt sich, wer die Anwesenden wirklich fesseln kann.

Der kleine Blick in die Kölner Clublandschaft war ebenso spannend, wie das Gefühl in einem erwartungsvollen Publikum zu stehen. Die Music Hall hätte ich mir etwas spektakulärer vorgestellt. Das Helios37 und der Club Bahnhof Ehrenfeld sind da eher meine Wahl beim nächsten  Besuch. Und tagsüber? Auf den Panels der Convention waren sich die Teilnehmer:innen oftmals zu einig – ein Trend, der jedoch nicht neu ist. Vielfach hatte man das Gefühl, die Fragen waren vorab bekannt und die Antworten gut vorbereitet. Dennoch war es mal wieder erfrischend, Gesprächen zu lauschen, die neue Denkanstöße für späteren Austausch lieferten.

Erstaunt hat mich die Aussage, dass man für einen Einstieg in die Branche weiterhin mehr auf Leidenschaft für das Business, als auf das vorbereitende Schärfen von fachlichen Kenntnissen setzt. Ich dachte, dass die Musikbranche den Fokus mehr auf den Ausbau des Ausbildungsbereichs setzt und “Learning on the job” ergänzend gehandhabt wird. So könnte man aus meiner Sicht einerseits dem internationalen Standard gerecht werden gleichzeitig zum Schließen des Pay Gap beitragen. Denn diese Lücken sind definitiv vorhanden und klafft nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch gegenüber anderen Branchen, wie ein unüberwindbarer Graben auf. 

Persönlich war mir der Talk über die Zukunft der physischen Tonträger zu sehr im Hier und Jetzt verhaftet. Denn während man sich auf dem Podium über Preisstrukturen und Vertriebswege unterhielt, blieb der Aspekt der Umweltverträglichkeiten internationaler Shipping völlig außen vor. Ein ergänzender Austausch mit Music Declares Emergency folgt. Die Panels waren ebenso wie die Livemusikbühnen gut besetzt, aber es ist noch Luft nach oben. Neben Expert:innen für Vertrieb, Marketing und Personalwesen fanden sich auch immer Musikschaffende, die ihre Meinung darlegten. DIY steht weiterhin hoch im Kurs, was sich auch in den Angeboten der Workshops zu Radio Promotion, Newsletter- oder Playlisten-Marketing fand. Dennoch ist der Hang, sich gezielt mit Partner:innen für Felder, wie Booking oder Promotion zusammenzutun, erkennbar.

Gespannt bin ich, wie sich das Thema künstliche Intelligenz in der Musikbranche manifestiert. Wieder scheint die Szene überrannt zu werden von der technischen Entwicklungen. Doch statt, wie vor knapp 30 Jahren in Schockstarre zu verfallen, werden ChatGPT und seine Geschwister bereits fleißig eingesetzt. Ich habe mir das Panel hierzu gespart. Immerhin lesen wir heute schon von Songs, die von der Melodie über den Text bis zum Master mit KI produziert wurden. Ich denke, wir sollten uns auch weiterhin über die Folgen der immer gleich klingenden Songs, das fehlende authentische Auftreten von Musiker:innen und die Schnelllebigkeit von Hits unterhalten. Denn auch diese sind eine Folge des technischen Fortschritts, der besser eingesetzt werden kann. 

Schön zu hören, dass auch bei Medienschaffenden im Rundfunk die Notwendigkeit angekommen ist ihre Programme zu diversifizieren. Denn das Abspielen von Algorithmus-gesteuerten Playlisten lässt mehr und mehr Höher:innen abschalten. Der Ruf nach guten gesprochenen Inhalten und liebevoll kuratierten Songs, wird geschätzt. Danke geht raus an Bytefm und Fluxfm. Schaltet ein, um gute Sendungen zu hören.

Konzert-Highlight war auch für mich Black Sea Dahu. Eine Band, die mich mit ihren Alben zuhause nie ganz überzeugt hat, schaffte es mich live unmittelbar zu berühren. Beim Konzert von bei Betterøv hingegen hat mich zwar die Stimmung im Publikums begeistert, die Show von Sänger und Band war mir jedoch zu distanziert. Auch bei den Gigs, wie Brockhoff, Pantha und Temmis wünsche ich mir mehr Loslassen und weniger Perfektion auf der Bühne. Aber vielleicht kommt das noch.

Abschließend kann ich von meiner Seite aus sagen: Ja, die c /o pop hat gefallen und ich komme gern wieder nach Köln.

Auch die Zahlen sprechen für sich: Die Veranstaltung war ausverkauft: 1.600 Menschen nahmen am c/o pop Convention Programm teil, 36.000 kamen zum c/o pop Festival. Die Macher:innen zeigten sich begeistert und freuen sich auf das nächste Jahr. Tragt euch den 24.04. bis 28.04.24 fett im Kalender ein.

Fotocredit: Titel und weitere Panels by Jack Kulcke, alle weiteren Bildern privat und von MUSICSPOTS im Rahmen der c/o pop festgehalten.

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