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ELBJAZZ 2023 Jazz und Pop an der Elbe

Am 09. und 10. Juni 2023 fand das ELBJAZZ Festival wieder in Hamburg statt. Im Rückblick zeigt sich ein durchaus vielseitiges Programm, das in diesem Jahr weit über das Genre des Jazz Besucher*innen anzog. 

Unter besten Wetterbedingungen konnten sich Kulturinteressierte an Jazz, Soul, RnB und Pop, aber auch Techno erfreuen. Beim Übersetzen zum Blohm + Voss Werftgelände am späten Freitagnachmittag war die Fähre gut gefüllt. Die ersten Konzerte hatten bereits stattgefunden. Mein erster Besuch galt dem Jazz Truck. Die kleine Bühne, kuratiert vom Jazzbüro Hamburg und der Haspa Musikstiftung, erweiterte dieses Jahr erstmals das internationale Line-Up um lokale Musiker*innen und Bands.

Auftakt mit Sonne am Freitag

Der Auftritt der Hamburger Sängerin Cleo, in Begleitung ihres Gitarristen David Grabowski, war ein guter Einstieg in das Festival. Cleo fasziniert mich persönlich immer wieder mit ihrem Gesang. Beim Wechsel zur Hauptbühne gab es noch einen kurzen Stopp an der Bühne Am Helgen. Zwar fehlte in diesem Jahr das große, schützende Sonnensegel – das tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch. Tanzend wurde der Auftritt des Vocal Ensembles His Sounds of Soul aus Ghana bejubelt, das leider ohne ihren Frontmann Alogte Oho angereist war.

Weiter ging es auf der Hauptbühne zu Cécile McLorin Salvant. Die mit drei Grammys ausgezeichnete Sängerin begeisterte auch die eher zufällig vorbeikommenden Gäste. Auch für mich eine weitere Neuentdeckung, die ich weiterverfolgen werde.

Das Highlight des ersten Festival-Tages war auf jeden Fall das Konzert von Sängerin und Saxophonistin Camilla George. Im Vorfeld konnte ich die Londonerin kurz für ein Interview treffen. Gemeinsam mit Jacek Brun vom Magazin Jazz Fun hatten wir eigentlich ein ausführliches Video-Interview geplant. Dies war leider aufgrund komplexer Vorgaben vor Ort nicht möglich. So durfte ich kurzerhand das Interview im Artist-Shuttle machen. Unser Gespräch über das neue Album Ibio-Ibio, ihre Karriere und wie sie in ihrem Schaffen auch andere Musikerinnen aktiv unterstützt, könnt ihr in unserem nachfolgenden Artikel lesen.

Junge Talente und bekannte Stars

Parallel zu unserem Gespräch trat Jakob Manz auf. Der junge Altsaxophonist wird seit Jahren hoch gelobt und zeigte auch auf der Elbjazz Bühne, dass er internationale Standards setzt. Ich konnte noch den letzten Abschnitt des Konzerts erleben und kann diesen Musikern ebenfalls empfehlen.

Das Konzert von Camilla George war auch sehr beeindruckend. Das Zusammenspiel aus klassischem Jazz, nigerianischer Musik und den Einflüssen von HipHop zeigte sich live als ein noch schöneres Erlebnis, als es bereits auf dem Album zu erahnen war. Die Schiffsbauerhalle war bis zum letzten Platz gefüllt.

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Den Abschluss machten auf dem Festivalgelände am Freitag zwei Acts, die nur entfernt dem Jazz angehören. Mit Dope Lemon und Meute hatte das Elbjazz Team zwei Konzerte im Line-Up aufgenommen, die ein anderes Publikum ansprachen. Beide Auftritte waren sehr eindrucksvoll, meiner Meinung nach in diesem Rahmen aber nicht notwendig. 

Samstag startet mit Funk & Soul

Der Samstag trumpfte mit ähnlich gutem Wetter auf. Dankbarer Weise war es ein wenig windiger, was die Sonne fast erträglich machte. Ich startete direkt mit meinem Highlight, dem Konzert der US-Musikerin Adi Oasis. In Begleitung ihres Drummers und Keyboarders eröffnete sie die Mainstage am zweiten Festivaltag. Vielen war die großartige Bassistin und Produzenten zuvor unbekannt, alle waren jedoch mehr als begeistert. Im Mai hatte Adi Oasis ihre Schwangerschaft auf ihren Social Media Kanälen verkündet: “I’m gonna need a bigger stage. I’m bringing a very special guest with me everywhere.” 

Ich glaube, ich habe selten einen so charmanten und selbstverständlich Umgang einer Musikerin mit dem Mutterwerden erlebt. Adi Oasis rockte die Bühne stilsicher in hohen Schuhen, einem mega Outfit und einem unverkennbaren Stolz, der “Female Empowerment” in seiner ehrlichsten Form zeigt. Ich liebe ihre charmanten Moderationen zwischen den Stücken und die Leichtigkeit, mit der sie ihre funkigen Stücke mit jazzigen Soul unterlegt und uns hat mitgrooven lassen. 

Einen kurzen Blick habe ich auf das Konzert von Cherise werfen können. Die britische R’n’B Sängerin konnte vor einigen Jahren mit ihrem Hit Remedy punkten. Nun warten wir gespannt auf das Album, das im Juli kommt. Die Schiffsbauerhalle zum Toben brachte natürlich das Tingvall Trio. Bereits die Frage, wer die drei Musiker schon einmal live erlebt hatte, zeigte, dass hier über dreiviertel der Anwesenden Fans waren. Ähnlich war es auch bei den Besucher*innen der nachfolgenden Konzerte von Jose James und der Jazzkantine. Beide Acts haben große Fangemeinden und dementsprechend gut war das Echo nach den Konzerten.

Besonders für die Jazzkantine freut mich das gute Feedback sehr. Ich habe die Combo aus Braunschweig bereits seit der ersten Stunde begeistert begleitet und sehe immer wieder Sonderformate, mit denen Bandleader Christian Eitner die Band auf neue Bühnen hebt. 2024 wird die Jazzkantine im Rahmen der Kooperation von Elbjazz und der Kreuzfahrtlinie Mein Schiff die Themenreise mit Jazz, HipHop und souligen Klängen unterlegen. Ein spannendes Konzept, das ich mir gern anschauen würde. Vielleicht bietet diese Reise der Jazzkantine auch die Möglichkeit, ein paar spannende Features von neuen aufstrebenden Musiker:innen ins Programm aufzunehmen.

Zum Abschluss des ELBJAZZ 2023 habe ich mir noch ein paar Songs der Newcomer Band Tilar auf der HfMT Bühne vor der Elbphilharmonie gegönnt. Es zeigt sich: Diese neue Combo versteht ihr Handwerk. Es fehlte mir noch etwas Lockerheit im Auftritt, aber die Songs sind gut komponiert, sitzen perfekt und das Publikum fühlte sich sehr gut unterhalten.

Bevor es für mich zur Aftershow-Party in den Mojo Club ging, waren wir noch in der Elphi zum Konzert von Sarah McCoy. Die Sängerin und Pianistin konnte die große Halle leider nicht vollständig füllen. Mich hat das Konzert nicht ganz überzeugen können. Die Inszenierung aus Licht und Musik war recht eindrucksvoll als finales Konzert des Elbjazz Festivals, doch die rein musikalische Darbietung hatte ich mir anders vorgestellt.

Den krönenden Abschluss bot mir persönlich dann das DJ Set von Emma Noble. Die Londonerin ist eigentlich gemeinsam mit Sophie Heath als Noble & Heath unterwegs. An diesem Abend begeisterte sie aber ganz alleine Fans mit Soul, Funk und Disco Tracks klassisch vom Plattenteller. Wer das Set verpasst hat, kann sich über Mixcloud eine ordentliche Portion Soul selected by Emma Noble holen. Ich persönlich hoffe, dass sie eines ihrer Sets, das sie dieser Tage in Glastonbury Festival spielt, aufzeichnet.

Abschließend kann gesagt werden, dass das Elbjazz Festival dieses Jahr ein wirklich hervorragendes Line-Up bot. Viele internationale Jazzgrößen waren angereist und boten dem Publikum ausgezeichnete Konzerte. Auch die im vergangenen Jahr angemerkte Vielfalt wurde angepasst und führte zu einem spannenden Programm.

Dank der fotografischen Begleitung der freien Fotografin Lidija Delovska und Jacek Brun von Jazz-Fun.de konnte ich mich erneut völlig auf die Musik konzentrieren. Nachgefragt nach den diesjährigen Highlights teilte mir Jacek mit: „Der Jazz Truck aus Hamburg  war eine super Idee. Hier wurde aus meiner Sicht am meisten „echter Jazz“ gespielt.“ Als Tipp gibt er noch die Hamburger Band Pelican Crossing mit, die am Samstag die neue Bühne bespielten. Natürlich hat Jacek auf jazz-fun.de eine Review verfasst. Diese findet ihr hier.

Ich bin derzeit nicht sicher, ob es wirklich zielführend für dieses Festival und die Jazz-Acts ist, das Programm so breit aufzustellen, dass Bands, die eher der populären Musik zugeordnet werden, hier auftreten. Ich hatte oftmals das Gefühl, dass das Publikum das gebotene Talent nicht zu schätzen weiß und schnell zu einer anderen Bühne weiterzieht. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass man mit dem vielfältigen Lineup mehr Menschen für Jazz und seine begleitenden Spielarten begeistert. Im Austausch mit einem jungen Paar auf dem Heimweg zeigte sich dies noch mal: “Wir hatten unsere Tickets für Dope Lemon gekauft und Meute war dann sozusagen die Zugabe,” erhielt ich als Antwort auf meine Frage, was ihnen am besten gefallen hat. “Die anderen Bands sind ja nicht so unser Geschmack.”

Auch die am Rande geführte Diskussion um den Austragungsstandort des Werftgeländes in Kriegs- und Krisenzeiten sowie die Zutrittsbeschränkung für Menschen bestimmter Staatsangehörigkeiten, könnte eine Veränderung im kommenden Jahr herbeiführen. Denn bei einer internationalen Veranstaltung treffen Kultur und Politik unvermeidlich hinter den Bühnen aufeinander.

Es bleibt also spannend, wie sich das Festival am 07. und 08. Juni 2024 präsentieren wird. Tickets können bereits auf der Webseite gekauft werden.

Fotocredit: Lidia Delovaska (Titel, Meute, Dope Lemon, Elbjazz-Mood); Jacek Brun (Camilla George, Adi Oasis, Cleo, Cécile McLorin Salvant. Tingvall trio

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