Nachdenklich und leise bringt uns Karwendel die Songs auf seiner Debüt EP Für den Moment näher. Fast vorsichtig schwingen die fünf Stücke mit deutschen Texten zu uns herüber. Thematisch ab und an schwermütig, halten wir inne und hören gern zu.
Karwendel hat sich bereits im Sommer vergangenen Jahres in unsere Musiksammlung. Mit der ersten Single Einzige Welt, war der Musiker aus Hamburg zu Gast beim Never Lunch Alone Talk und erzählte über die Entstehungsgeschichte der EP. Von der bei der Auszeit im Karwendel Gebirge bis zu den Aufnahmen im Studio berichtet er den Zuschauern live auf Instagram berichtete Sebastian Król, wie sein neues Projekt Karwendel entstand.
Damals im Juni Man, konnte man bereits erahnen wie sich die finalen Songs anhören würden. Fertig produziert öffnet sich uns eine große harmonische Komposition. 5 Stücke, die perfekt ineinandergreifen und einen eigenen Musikkosmos bilden. Es ist ein Miniaturliederzyklus – zwischen Liebe und Zerstörung, Vermächtnissen und Demut.
Karwendel erzählt über Sterblichkeit und Tod, ohne zu düster zu klingen. Es ist Poesie in Musik. „Für den Moment“ geht tief. Die EP hallt nach und lässt uns innehalten inmitten einer Welt zwischen Hektik und Stillstand. Textlich bereits vor 2020 entstanden, scheinen die Stücke zeitlos zu sein und doch in das Hier und heute zu passen.
Da ist neben meinem Favoriten „Einzige Welt“ das vorletzte Stück „Niemals nur du selbst“, das besondere Beachtung verdient. Ein Stück zum Zuhören, denn die Instrumentierung ist aufwendig. Klavier und Bass gebe den Rahmen, die schöne Stimme von Sebastian Król untermalt von Geige und Saxophon erzählt über die Vergänglichkeit des Lebens.
Der Song Niemals nur du selbst klingt wie für eine Theaterbühne geschrieben. Die Spannung baut sich langsam und stetig auf und endet in fast erlösenden Textzeilen. „Eine Losung, ein Planet, nur die Zeit, die Dich verrät, wirft das Licht den Schein auf Dich, sieh` wie tausendfach es bricht.“
Wie kam es zu diesem besonderen Songtext und der wunderbaren Melodie?
„Danke euch. Wie es zu der Melodie kam, ist eine sehr schwierige Frage. Ich probiere täglich aus, spiele Gitarre und singe. Dabei bleibt manchmal etwas hängen, was dann für die Songs verarbeitet wird. Ich habe keinen theoretischen Hintergrund und gehe sehr intuitiv ans Musizieren.“
„Der Text entstand tatsächlich während des ersten Karwendel-Aufenthalts in der Selbstversorgerhütte in 2019. Mich überwältigte der Gedanke, dass unser Dasein im Hier und Heute nur ein kleiner Punkt auf der großen Zeitachse des Lebens ist. Vor uns gab es Generationen, nach uns werden Generationen folgen – und dabei hängt vieles zusammen, immerhin werden in diesem Prozess immer Erfahrungen und Gene übertragen. Letztlich hilft mir das Lied dabei, demütig zu sein. Mich selbst und meine Problemchen nicht zu ernst zu nehmen.“
Der letzte Song Zusammen erzählt über das engere Zusammenrücken und füreinander da sein der Hinterbliebenen beim Verlust eines geliebten Menschen. „Das Lied betont den positiven Effekt eines gemeinsamen Verlustes“, sagt Król. Wer diese Situation einmal erlebt hat, wird ihm zustimmen.
Es ist keine einfache Kost, die uns Karwendel in seiner Debüt EP präsentiert. Aber diese fünf Songs sind so schön, fast leicht und schwebend umgesetzt, dass sie sie trotz oder gerade wegen der oft gemiedenen Themen, wie der Endlichkeit des Lebens einen Platz im Herzen des Hörers finden werden.
Karwendel geht ins Herz
Für den Moment ist Poesie mit Musik oder gar zu Musik gewordene Poesie. In Begleitung von Max Braun (Produktion, Bass, Klavier), Johann Polzer (Schlagzeug, Perkussionen), Laila Nysten (Geige, Gesang, Klavier) und Carsten Netz (Saxophon, Klarinette, Flöte) schenkt uns Sebastian Król eine Handvoll schöner Augenblicke für die Ewigkeit.
Fotocredit: Karwendel by Ralph Baiker