Home » Tabus? Fuck it! – Wie Reclaiming die Musik verändert

Tabus? Fuck it! – Wie Reclaiming die Musik verändert

Ich bin ein 90s-Kid. Tic Tac Toe, die Spice Girls und Destiny’s Child waren mein Soundtrack – Girlpower pur. Ich find’ dich scheiße war damals nicht nur ein Song, sondern eine Ansage. Schon da haben Frauen gezeigt, dass sie nicht leise sein müssen. Was damals als frech galt, ist heute weiterentwickelt: FLINTA-Künstler*innen reclaimen Begriffe, brechen Tabus und machen daraus eine Kunstform, die nicht nur provoziert, sondern auch empowernd wirkt.

Auch heute gibt es Momente, in denen mich Musik eiskalt erwischt. Nicht, weil sie besonders schön klingt oder tiefgründig ist, sondern weil sie mir eine knallt. Genau so ging es mir, als ich zum ersten Mal FLINTA*-Künstler*innen wie SXTN, Mariybu oder Peaches hörte, die mit einer Selbstverständlichkeit Begriffe wie Schlampe und Bitch in ihre Texte packten.

Ich habe mich gefragt: „Muss das wirklich sein?“ Und noch mehr: „Ist das der richtige Weg?“ Aber je mehr ich mich mit der Musik und den Künstler*innen auseinandergesetzt habe, desto mehr wurde mir klar: Das ist genau der Punkt. Es geht nicht darum, höflich zu sein. Es geht darum, laut zu sein, Grenzen zu verschieben und das Establishment so sehr zu provozieren, dass es ins Schwitzen gerät.

Und das gefällt nicht jedem. Ich höre oft Kommentare wie: „Muss das so vulgär sein?“ oder „Das ist doch nur provokant, damit man drüber redet.“ Und ja, genau das ist der Punkt: Man muss darüber reden.

Worte entwaffnen: Reclaiming in der Musik

Reclaiming – das Zurückerobern von Worten – war mir schon aus der queeren Szene bekannt. Dort werden Begriffe wie queer, schwul oder Dyke, die lange als Beleidigung galten, stolz getragen, um ihre Macht als Waffe zu brechen. Doch als ich merkte, wie FLINTA*-Künstler*innen dieses Prinzip in der Musik nutzen, war ich erst skeptisch. Kann das funktionieren?

Und wie das funktioniert! Wenn Frauen Begriffe wie Schlampe oder Bitch reclaimen, nehmen sie den Männern das Monopol auf ihre Sprache. Sie scheinen zu sagen: „Ihr habt uns mit diesen Worten verletzt, aber jetzt gehören sie uns. Und wir tragen sie wie ein verdammtes Diadem.“

Für manche Menschen ist das schwer zu verstehen. Sie hören diese Texte und fühlen sich direkt angegriffen oder abgestoßen. Ich frage mich: Ist das ein Generationsding? Ist das ein Szeneding? Ist das Gefühl, dass Sprache provokant und unangemessen ist, etwas, das mit den Jahren kommt? Oder ist es einfach die Macht der Gewohnheit, die uns Dinge akzeptieren lässt, solange sie nicht zu sehr aus der Norm ausbrechen?

Von SXTN zu Juju: Pöbeln mit Haltung

Ein Paradebeispiel dafür ist SXTN, das Duo, das ich anfangs als frech, rotzig und ein bisschen zu laut empfand. Ihre Texte wie Von Party zu Party oder F*tzen im Club provozierten mich – und genau das war der Punkt. Juju und Nura haben Begriffe und Themen genommen, die Frauen sonst kleinmachen sollten, und sie mit einer solchen Kraft zurückgeworfen, dass ich dachte: „Wow, das sitzt!“

Ich gebe zu, dass ich anfangs auch dachte: „Ist das nicht ein bisschen zu viel?“ Aber genau das ist der Punkt: Sie wollten nicht, dass es allen gefällt. Juju hat diesen Stil auch solo beibehalten. Mit Tracks wie „Hardcore High“ reclaimt sie Begriffe und erzählt Geschichten, die unbequem sind – aber verdammt wichtig.

I am raw html block.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

/>Click edit button to change this html

Mariybu: Poesie trifft Provokation

Dann entdeckte ich Mariybu – die queere Berliner Pöbelpoetin mit Hamburger Wurzeln, die Tabuthemen in rotzige, humorvolle und kluge Texte packt. Ihre Songs sind eine Mischung aus rotziger Lässigkeit und tiefgründigem Ernst. Ob sie über Menstruation, Selbstbefriedigung oder queeren Sex in ihren Hyperpop Songs verarbeitet – sie trifft den Punkt.

Ich war beeindruckt, wie sie Themen auf den Tisch legt, die andere verschweigen, und dabei eine Bühne daraus macht. Für mich zeigt Mariybu, dass es nicht nur darum geht, zu provozieren, sondern auch darum, den Dingen das Tabu zu nehmen. Ihre Texte scheinen zu sagen: Hier bin ich. Und ich rede über alles, worüber ich reden will.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

I am raw html block.
Click edit button to change this html

Peaches und die Kunst der Provokation

Als ich tiefer in die Welt der provokanten Musik eintauchte, entdeckte ich Peaches, die schon lange vor SXTN oder Mariybu Tabus gebrochen hat. Songs wie Fuck the Pain Away sind laut, explizit und unvergesslich. Ihre Musik ist ein Statement: Frauen können genauso provokant sein wie Männer – wenn nicht noch mehr.

Ich liebe, wie Peaches keine Grenzen kennt und jede Bühne zu ihrem persönlichen Spielfeld macht, inklusive tanzender Vulven. Ihre Texte und Performances sind ein Schlag ins Gesicht für alle, die glauben, dass Frauen leise sein sollten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

I am raw html block.
Click edit button to change this html

Warum Provokation wichtig ist

Natürlich schreckt diese Art von Musik Menschen ab. Natürlich finden viele es zu laut, zu direkt, zu vulgär. Aber genau darum geht es. Musik, die alle mögen, hat selten etwas verändert. Provokation ist ein Werkzeug, um Dinge sichtbar zu machen, die sonst übersehen werden.

Ja, es gibt eine Grenze zwischen Provokation und plumpem Tabubruch. Aber Künstlerinnen wie Juju, Marybu und Peaches beweisen, dass sie diese Grenze beherrschen. Wenn sie diese Grenze überschreiten, geschieht dies bewusst. Sie nutzen Sprache nicht nur, um zu schockieren, sondern um Diskussionen anzustoßen.

Fazit: Nicht für jeden – und genau deshalb so wichtig

Ich gebe zu, am Anfang war ich skeptisch. Ich habe mich gefragt, ob diese Musik nicht zu extrem ist. Aber jetzt weiß ich: Genau das ist ihre Stärke.

Musik muss nicht allen gefallen. Sie muss gehört werden. Sie muss Menschen aus ihrer Komfortzone holen und sie zwingen, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die unbequem sind. FLINTA*-Künstler*innen reclaimen Begriffe, brechen Tabus und schaffen es, das Establishment so sehr zu provozieren, dass es rot anläuft.

Und ja, ich habe Gefallen daran gefunden. Es ist befreiend, mit Musik Grenzen zu verschieben, Tabus zu brechen und dabei zu sehen, wie die Welt ein kleines bisschen heller und freier wird – mit jeder provokanten Zeile.

Wenn dich diese Texte, Songs und Musikvideos abstoßen, dann bist du vielleicht doch nicht so Open-minded, wie du denkst. Und das ist fucking OK so. Jeder Mensch muss und darf für sich selbst seine Grenzen setzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert