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Rückblick Reeperbahn Festival 2024: Teil 1 – Highlights und Wünsche

Das Reeperbahn Festival 2024 hat mal wieder gezeigt, dass Hamburg nicht nur musikalisch, sondern auch kulturell der absolute Hotspot ist! Vier Tage voller pulsierender Beats, revolutionärer Stimmen und intensiver Konferenzthemen haben uns gezeigt, wie viel Power in der Szene steckt. Ob queerer Pöbelrap, Indie-Klänge oder tiefe Diskussionspanels – das Festival war eine einzige Explosion aus Musik, Kunst und Meinung.

Für MUSICSPOTS waren unterwegs: Andreas, Caro, Jenny, Dirk und Charlyn – und wir haben uns für euch durch die Clubs, Konferenzräume und  auf die Festival Village gestürzt, um die heißesten Acts und spannendsten Panels zu erleben. Von tiefen Bässen bis zu aufwühlenden Statements – hier kommen unsere Highlights!

Highlights aus der Redaktion

Konferenz 

Dirk: Für mich liegt der Fokus zu 100% auf der Musik! Aber es ist dabei immer wieder interessant Künstler*innen und Vertretern aus der gesamten Musikbranche zu begegnen. Da kommt man immer wieder in den Austausch und begegnet alten Freunden und neuen Gesichtern.

Charlyn: Aufgrund der politisch angespannten Situation in Deutschland und vielen anderen Ländern in Europa standen in diesem Jahr etliche politische Talks auf meiner Agenda. Gespannt hoffte ich darauf, Antworten auf die Frage zu finden, wie Musikkonsum die politische Einstellung einer Person beeinflussen kann und welche entscheidende Rolle die Musiker*innen dabei spielen. Das Thema wurde innerhalb der vier Tage in mehreren Panels von tollen Expert*innen beleuchtet.

Andreas: Eines meiner größten Highlights waren die vielen spannenden Talks und Panels rund um die Themen Gleichberechtigung, Machtmissbrauch und queere Clubs. Es war unglaublich inspirierend und ich fühlte mich endlich gesehen. Trotzdem konnte ich nicht übersehen, dass das Publikum fast ausschließlich aus denen besteht, die ohnehin schon ein hohes Bewusstsein für diese Themen haben und rücksichtsvoll leben. Wo aber waren die, die sich an die Nase fassen sollten? Die „alten weißen cis Männer“? Genau, nicht da. Dabei sind es gerade diese Menschen, die sich das Ganze anhören sollten. Es reicht nicht mehr, dass wir Betroffene uns immer nur im Kreis drehen, uns austauschen und bemitleiden. Es ist an der Zeit, den Falschmachern und Tätern zu erklären, was sie tun – und das laut und deutlich. Die Zeit des Schweigens ist vorbei.

Jenny: Mein Fokus lag wie auch schon im letzten Jahr auf dem fotografischen Teil. Aufgrund vieler zeitlicher Überschneidungen habe ich es in diesem Jahr leider nicht auf viele Panels geschafft. Der Austausch innerhalb der Branche ist dennoch nicht zu kurz gekommen – ich habe viele interessante und inspirierende Gespräche führen können.

Caro: Ich finde auch, es gab so viele spannende Panels, dass man sich kaum entscheiden konnte. Ichhabe mich bewusst für Talks zu Themen entschieden, die mir sonst nicht so leicht gefallen. Politik und Musik ist so ein Thema, mit dem ich mich aktuell mehr auseinandersetze. Auf der Reeperbahn Festival Konferenz war es leicht. Der Talk “Von Landser bis L’amour toujours – Rechts­ex­tre­me Mu­sik­stra­te­gi­en und die Rolle di­gi­ta­ler Platt­for­men” war spannend moderiert und bei den Beiträgen lief es mir ab und an kalt den Rücker herunter. Toll war auch der Podcast Willkommen im Club queer und rechts”. Wieder Gänsehaut, trotz warmen Wetters, aber auch ein gutes Gefühl dank der super Moderation. Den Podcast habe mir bereits in die Favoriten gelegt.

Reeperbahn Festival Konzerte

Charlyn: In diesem Jahr fällt es mir wirklich schwer, eine*n bestimmte Künstler*in zu benennen. Für mich zeichnete sich das Reeperbahn Festival 2024 durch den besonderen Mix an Musiker*innen verschiedener Genres aus. Ob der schönen Stimme von Philine Sonny lauschend, zu der rockigen Musik von Paula Dalla Corte tanzend oder stillschweigend zu Ellice vibend (im positiven Sinne, weil man einfach beeindruckt ist). Wie in jedem Jahr schlummern im Lineup des Festivals eine Menge Talenten, die darauf warten, entdeckt zu werden. Und das Entdecken macht wie immer am meisten Spaß: Von Club zu Club taumelnd, erkundet man neben talentierten Musiker*innen auch schöne neue Orte in Hamburg und lernt eine Menge toller Menschen kennen. 

Dirk: Besonderes waren in diesem Jahr die Konzerte in den Kirchen. Ob Searows oder Oska in der St. Pauli Kirche oder auch Olli Schulz im Michel. Diese Auftritte versprühten von Anfang bis Ende Magie. Ob nun der Wortwitz von Olli Schulz oder die charmante Art von Oskar im Hochzeitskleid, das machte diese Abende einmalig. Ein weiteres Highlight stellte die britische Musikerin Amalia Coburn dar. Bei ihrem Gig im Headcrash lauschte das Publikum ganz gespannt. Dabei hätte man eine Stecknadel fallen hören. Dieser Singer-Songwriter-Pop war ganz nach meinem Geschmack.

Außerdem bewahrheitete sich wieder einmal, dass es sich lohnt schon zur Mittagszeit die Acts aus Kanada im UWE auf der Liste zu haben. Dabei hat mich Devarrow mit seinem Gig als Alleinunterhalter an Bass und Gitarre begeistert.

Andreas: Auf der musikalischen Seite war Lila Sovia für mich ein absolutes Highlight. Wer es schafft, mit so viel Raffinesse, Wortakrobatik, Flow, Humor und purer Wut dem Patriarchat den Mittelfinger zu zeigen, verdient mehr als nur Gehör – they verdient Standing Ovations. Ein großes Dankeschön an RockCity und die Haspa, dass sie diesem Powermenschen die Bühne geboten haben. Besonders das Feature von Lena Störfaktor bei „Lesbisch aus Prinzip“ war ein absoluter Banger. Und dann kam auch noch Bush.Ida auf die Bühne und brachte mit ihrer tänzerischen Unterstützung mein queer-feministisches Pöbelrap-Herz endgültig zum Glühen. Mehr davon, immer und immer wieder! Was mir bei den Konzerten queerer Künstler*innen besonders aufgefallen ist: Hier supportet man sich gegenseitig. Die Community lebt, man hört sich zu, feiert zusammen und steht füreinander ein. Das ist echte Verbundenheit. Danke dafür!

Mein zweites Highlight: Lewis Fitzgerald. Das Pressefoto in der RBF-App ließ mich einen Gangsta-Rap-Act erwarten. Ein fast komplett tätowiertes Gesicht, harter Blick – die Schublade im Kopf war schnell auf. Aber was ich dann im Bahnhof St. Pauli erlebt habe, war das genaue Gegenteil. Statt harter Beats kam ein weicher Sound mit einer warmen Stimme, begleitet von einem Gitarristen und einem leidenschaftlichen Menschen an den Keys. Dazu Herzschmerz-Love-Songs mit Einflüssen aus Soul, RnB, Country und Pop. Lewis hat mich komplett überrascht – und ja, er ist direkt auf meine Favoritenliste bei Spotify gewandert. Don`t judge a book by its cover!

Jenny: Mein musikalisches Highlight war in diesem Jahr ganz eindeutig:  Zaho de Zagazan. Die junge Französin begeisterte das Hamburger Publikum mit einer Mischung aus Elektrobeats und Chansons. Mal theatralisch und düster, mal beherzt und witzig – Zaho des Zagazon berührt mit ihrer ganz eigenen Art. Ich bin mir sicher, von ihr werden wir in Zukunft noch viel hören! Seit dem Reeperbahn Festival hat sie auf jeden Fall mindestens einen Fan mehr.

Besonders gefreut habe ich mich zudem auf Tanner Adell, die amerikanische Country-Sängerin und Songwriterin aus Kentucky. Mit einem Acoustic-Set auf der The Orchard Reception sowie am NJoy-Reeperbus und einem Band-Setup auf der Bühne des Bahnhofs Pauli zeigte sie, wie modern Country heute klingen kann. Ihre Musik verbindet traditionelle Country-Elemente mit Pop, R&B und Hip-Hop, und beweist, dass das Genre weit über Johnny Cash und Dolly Parton hinausgewachsen ist.

Caro: Absolutes Highlight: King Josephine. Eine queere Musikerin, die dem klassischen Soul wieder Tiefe verleiht. Der spontane Austausch vor dem Soundcheck im Indra Biergarten hat mich motiviert, mir wieder mehr Zeit für Fragen und zuhören zu nehmen. Ebenso war es beim Gespräch mit Marlo Grosshardt, den ich vor seinem Set auf der Village getroffen habe. Den Gig auf der kleinen Acoustics Bühne habe ich verpasst und freue mich auf die Tour Ende des Jahres. Brillant waren auch die Gigs von Ami Warning, Mina Richman und Betti Kruse. Dankbar bin ich für die Empfehlungen für Aka Kelzz und Kabeaushé. Mega Shows, tolle Acts.

Was hat uns gefehlt – Was wünschen wir uns?

Caro: Ab und an haben mir unterschiedliche Sichtweisen in Talks gefehlt. Es ist gut, sich mit anderen Expert*innen auszutauschen, die nicht derselben Meinung sind. Wobei ich wirklich verstehen kann, dass man nicht jeder Person aktuell eine Bühne bieten will. Auch hätte es für mich die TikTok Stage nicht unkommentiert gebraucht. Ja, wir müssen die junge Zielgruppe dort ansprechen, wo sie ist, aber sollten wir sie dann nicht auch aufklären, über diese Plattformen und sie auf Bühnen selber sprechen lassen.  Dieses Jahr ist der Rückgang der Fördergelder spür- und sichtbar gewesen. Es scheint,  als würden so nun wieder mehr große Player ins Spiel kommen. Das ist nicht immer gut für die kleineren Branchenbeteiligten. Wird es ein natürliches Klein-Schrumpfen des internationalen Showcase Festivals geben, oder wird es mehr vordefinierte Bühnenslots geben, die von Branchenfremden mitfinanziert werden? 

Ich hätte mir mehr neue Gesichter und ab uns an kontroversere Gesprächspartner*innen gewünscht. Wie wäre es, wenn wir hier mehr Best Practices zeigen, von Personen, die mit gutem Beispiel vorangehen? Was mich sehr gefreut hat, war die große Zahl hochkarätiger Stage Hosts und Panel-Teilnehmenden.

Dirk: In diesem Jahr hat mir ein Highlight mit dem gewissen “Wow-Effekt” gefehlt. Es gab keinen Act, der mich vom Hocker gehauen hat. Zudem stellte sich der Samstagnachmittag als recht mau dar. Einzig einige Auftritte am Reeperbus und im Molotow gab es Auftritte, wobei beide Orte völlig überlaufen waren. Als an diesem Abend auch noch die App ausfiel waren einige Besucher*innen im wahrsten Sinne planlos. Auffällig war für meinen Geschmack zudem, dass in diesem Jahr zu viele Electro-Acts vertreten waren.

Ein Lob geht aber an alle Menschen vor Ort: Ob Publikum, Security, Merchstand oder hinter den Theken. Stets wurde man freundlich und hilfsbereit behandelt.

Charlyn: Die politischen Talks zählen zwar zu meinen Highlights in diesem Jahr, leider konnte mich jedoch nicht jeder einzelne von ihnen überzeugen. Mehrfach rückte die junge Zielgruppe an einem gewissen Punkt des Talks in den Fokus. Dabei wurden insbesondere das Wahlverhalten sowie die Rekrutierung dieser Altersgruppe via Tik Tok kommentiert. Kommentiert wurde dies von Erwachsenen, die Tik Tok als Plattform für politische Diskurse und den Einfluss dieses Social-Media-Netzwerkes völlig herunterspielten. Der nächste Fehler lag leider darin, dass der Talk die Einbeziehung der jungen Zielgruppe, über die sie sprachen, gar nicht vorsah. Realistische Einblicke aus der Sicht einer jungen Person blieben daher leider aus.

Andreas: Liebe Reeperbahn Festival-App-Entwickler, ich liebe das Festival, aber die App braucht dringend ein Update. Es kann doch nicht sein, dass sie sich nicht über verschiedene Endgeräte synchronisiert! Gerade als Redakteur*in arbeite ich auf Handy, iPad und Laptop. Da ist es ziemlich nervig, dass ich die auf einem Gerät gespeicherten Favoriten nicht auf den anderen sehe. Das sollte wirklich keine technische Meisterleistung sein.

Und warum gibt es keine Option, einen gemeinsamen Timetable für Konferenz und Festival zu erstellen? Viele von uns besuchen beides – Medienvertreter*innen, Musikschaffende, Branchenvertreter*innen. Es ist echt mühsam, ständig zwischen den beiden Programmen hin und her zu wechseln und nicht zu sehen, wo sich Überschneidungen ergeben. Ich habe tatsächlich Menschen gesehen, die sich eine Excel-Tabelle gebastelt haben. Excel, Leute, echt jetzt? Das kann man besser machen.

Aber auch ein Lob: Ich habe mich fast die ganze Zeit sicher gefühlt. Vor allem bei den Konzerten, in den Clubs und besonders im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld war die Atmosphäre top. Für die Sextouristen auf der Reeperbahn kann das Festival nichts. Ein großes Dankeschön an das Awareness-Team und die Organisator*innen für ihren Einsatz!

Jenny: Dem Kritikpunkt von Andreas bezüglich der ungünstigen Lösung der einzelnen Timetables Conference und Festival schließe ich mich an. Eine kombinierte Möglichkeit, mit der Option das ein oder andere auszublendem, wäre zukünftig wünschenswert.  Der Dank an die Mitarbeiter*innen vor Ort auch meinerseits. Die Stimmung auch hier war durchweg positiv. 

Und was sagt ihr?

Was waren eure Highlights beim diesjährigen Reeperbahn Festival? Habt ihr alle Acts, die ihr auf euren Must-See Listen stehen hattet, gesehen? Teilt es uns mit. Hier als Kommentar, auf Instagram, Facebook, oder via Mail. Wir freuen uns über Austausch und Input.

Fotocredit: Jennifer Ploog für MUSICSPOTS

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