Home » Reeperbahn Festival 2023 – Ein erster Blick zurück

Reeperbahn Festival 2023 – Ein erster Blick zurück

Vier Tage zwischen Reeperbahn, Schanze, Michel und Elbphilharmonie – das Reeperbahn Festival 2023 hatte es wieder in sich. Was haben wir auf der Reeperbahn, in umliegenden Clubs und auf dem Festival Village erlebt? Wen haben wir getroffen und welche Konzerte und Talks sind uns besonders in Erinnerung geblieben? Die MUSICSPOTS Redaktion blickt zurück.

Ein Festival mit Konferenz bedeutet auch immer Netzwerken. Beim gemeinsamen Blick zurück stellen wir fest, dass genau dieser Part in diesem Jahr wieder mehr Platz in unserem Timetable eingenommen hat, weshalb wir das eine oder andere Konzert und leider auch den einen oder anderen Slot im Konferenzprogramm verpasst haben. Aber genau die vielen geplanten und auch spontanen Begegnungen machen das Festival auch zu dem, was es ist.

Aus der MUSICSPOTS Redaktion waren wir auch dieses Jahr wieder als Team unterwegs. Andreas musste leider aus gesundheitlichen Gründen daheim bleiben, seine Empfehlungen sind aber in unser persönliches Lineup eingeflossen. Zusätzlich hat sich Charlyn dem Action Team auf der Reeperbahn angeschlossen. 

Unser diesjähriger Rückblick wird von unserer Reeperbahn Festival 2023 Playlist begleitet – dem Soundtrack zum Lesen, in Erinnerungen schwelgen und für Musikempfehlungen über diese vier Festivaltage hinaus.

___STEADY_PAYWALL___

Planung unplanbar

Auffällig -und das schon im Vorfeld – war für uns alle Eines: Die App und die Webseite waren gelinde gesagt eine Katastrophe. Was jedes Jahr eine Herausforderung ist – ist im Jahr 18 des RBF ein Reinfall in Bits und Bytes. Irgendjemand scheint den Appell herausgegeben zu haben, dass es jährlich anstatt eines Updates einen Relaunch geben muss. Dieses Jahr fühlte es sich an, als hätte ein Team versucht, etwas Hippes zu produzieren, sich an den 80ern orientiert und ist auf den letzten Metern gestolpert. Schade, denn das Ergebnis ist nicht nutzer*innen-freundlich und auch nicht dafür gemacht, einen vier Tage lang zuverlässig über das Festival zu begleiten. Anscheinend stand das Retro-Design über der Usability.

Eine Alternative in Papierform gab es in diesem Jahr nicht mehr. Feststellen durfte dies unser Redakteur Dirk, dem am frühen Donnerstagabend das Handy irreparabel kaputt ging. Das Abschaffen von Papier ist einerseits sehr zu begrüßen, dennoch ist es für einige Besucher*innen weiterhin wichtig, einen Plan in der Hand zu halten. Vielleicht könnte man das gedruckte Programm im kommenden Jahr zum Kauf anbieten? 

Dirk ist es dennoch gelungen, seinen umfangreichen Konzert-Plan durchzuziehen. Dank seines guten Netzwerks haben wir uns auch wiedergefunden. Es klappt auch im digitalen Zeitalter noch super, sich zu einer festen Zeit an einem bestimmten Ort zu verabreden. NoFomo, dafür mehr gemeinsam erleben!

Konferenzen & Netzwerken

Das Reeperbahn Festival gehört mit über 475 Konzerten an 4 Tagen noch immer zu den bedeutendsten Showcase-Festivals der Musikbranche und zeigte auch in 2023 wieder, wie Livemusik erlebt werden kann. Die begleitende Konferenz nahm dieses Jahr mit der re:publica einen noch größeren Teil ein. Das führte aber auch dazu, dass die gleichzeitig stattfindenden Panel-Talks sich gegenseitig kannibalisieren und der eigene Festivaltag im Vorfeld gut geplant werden musste. Dies wurde, wie bereits erwähnt, durch die App leider erschwert. Einige Talks wurden unter dem Festival, andere unter der Konferenz geführt. Ein Zusammenfügen der ausgewählten Punkte aus beiden Bereichen fehlte.

Dennoch gab es einige Highlights im Programm, die man unserer Meinung nach erlebt haben sollte. Dazu gehörte auf jeden Fall das wiederkehrende Format 10 Reasons Why. Dieses Jahr auf der Bühne: Pamela Owusu-Brenyah (Music Board Berlin / Kuratorin Pop-Kultur Festival Berlin), die berichtete, warum sie bei allen heutigen Herausforderungen immer noch Freude an ihrer Tätigkeit im Kulturbereich hat. Pamela  fokussiert sich in ihren Veranstaltungen auf die Förderung von marginalisierten Musikschaffenden und fördert damit gleichermaßen deren Sichtbarkeit wie auch die Vielfalt in der Branche. Das macht Hoffnung. Einblicke hierzu gab sie auch in ihrem Talk Ar­tists In Exi­le: Fear Of The Fe­ma­le Voice.

Andere Talks gaben Einblicke in Tools wie TikTok, Releasing-Prozesse oder die abnehmende Bedeutung von Labels in Zeiten des DIY-Releases. Auch die zwingend notwendige Sichtbarkeit und die fehlende Gleichberechtigung fanden immer wieder Beachtung im Programm. Doch reichte uns das in dieser Form im Programm aus? Nicht wirklich finden wir. Hier hätten das Festival und die Konferenz einem wichtigen Thema dieses Jahr mehr Platz einräumen müssen: über Macht und Machtmissbrauch wurde in diesem Jahr nur neben den großen Bühnen gesprochen und das Wort erhoben. Wir fragen warum? Mehr dazu in unserem zweiten Teil.

Konzerte für Kenner

Zusammen haben wir insgesamt 62 Konzerte an 4 Tagen erlebt. Oft zu zweit, mal zu dritt oder aber einzeln. Gemeinsam zu viert haben wir nur einen Auftritt gesehen: Sam Himself auf der Spielbude XL. Eine klare Empfehlung des kompletten Teams. Bei einigen Konzerten haben wir aus Zeitmangel auch mal leider nur zwei oder drei Songs gehört, andere Gigs konnten wir vom ersten bis zum letzten Ton geniessen. Von Pop bis Rock war wieder alles dabei. Vom Gesang auf deutsch, englisch bis hin zu isländisch haben wir Musik und Emotionen gefühlt, mitgesungen und auch ab und an klare Worte zur aktuellen Lage gehört. 

Den Preis für das ungewöhnlichste Bühnen-Outfit bekommt von uns der Hornspieler von La Nefera aus der Schweiz. Eine Band, die mit ihrer Bandleaderin Jennifer Perez ordentlich für Stimmung sorgte. Überhaupt waren wir neben der großen Bühne auf dem Spielbudenplatz auch oft am N-Joy Reeperbus. Die kleine Bühne des norddeutschen Radiosenders bot mit kurzen Sets einen guten Einblick in viele Acts, die im Laufe des Festivals noch einen weiteren Auftritt hatten. 

Insgesamt betrachtet können wir sagen: Wir hatten viel Spaß, unzählige Gänsehautmomente, haben geschwitzt, getanzt, mitgesungen und urplötzlich Tränen – nicht nur vor Freude –  in den Augen. Einerseits hatte man das Gefühl, das Lineup bietet wieder eine größere Bandbreite an Musik, der tiefere Blick zeigte jedoch, dass hier der Wandel zum Stillstand kam. Erneut waren einige Länder stärker vertreten als andere und kleine unabhängige Player blieben der großen Meile fern. Ein Grund lag sicher in steigenden Preisen.

Das Reeperbahn Festival ist ja kein gemeinnütziges Event, was sich bereits in den Ticketpreisen widerspiegelt. Dafür gab es für Branchenkenner*innen Einladungen zu Events abseits des Hamburger Kiez. Hier waren Vielfalt und Neues wieder hörbar. Wir danken noch mal Fanklub und Backseat PR, die MUSICSPOTS nicht nur in der Community unterstützen, sondern uns auch immer wieder mit Musikempfehlungen versorgen, die vor dem Trend liegen. Auch dieses Jahr gab es mit Mina Richman und Elisson zwei Acts am Grünen Jäger, die wir euch ans Herz legen möchten.

Der Blick zurück auf die Reeperbahn zeigte: An allen Tagen war die Festival-Meile voll mit Menschen und auch die kurzen Regenschauer konnten der guten Stimmung keinen Abbruch tun. Man konnte sich zwischendurch immer mal wieder einfach nur treiben lassen, den Stress und die Schwere der Zeit gut vergessen. Die Clubs waren bereits am Mittwoch zur Primetime gut gefüllt. Ansonsten war für RBF-Wiederkehrer alles fast beim Alten. Rechtzeitiges Anstehen lohnte sich.

Doch trügt die gute Stimmung nur? Oder ist wirklich alles wieder schön und wir sind in einer gleichberechtigten Musikwelt angekommen, in der wir uns wieder ungezwungen jubelnd in vollen Clubs in den Armen liegen? In unserem zweiten Teil schauen wir, welche Konzerte uns persönlich begeistert haben und warum wir dieses Festival auch über die vier Tage in Erinnerung behalten werden.

Ihr wollt unsere Musikempfehlungen noch früher lesen und noch mehr News aus der MUSICSPOTS Redaktion erhalten? Dann tretet schnell der Community via Steady bei. Mit dem unlimitierten Zugriff auf alle Inhalte seid ihr immer top informiert und unterstützt unsere Redaktion auch in ihrer Arbeit mit einem kleinen Dankeschön.

Fotocredit: Jennifer Ploog