Schon lange nicht mehr habe ich mich so sehr auf ein neues Album einer Künstler*in gefreut, wie auf die neue Platte der Sängerin und Schauspielerin Paula Hartmann. Nach der Veröffentlichung ihres Debüts vor zwei Jahren performte sie 2023 auf mehreren großen Festivals und eroberte große Bühnen. Nun ist sie mit Kleine Feuer zurück. Kann das Album meine Erwartungen erfüllen?
Nachdem Paula Hartmann sich mehrere Jahre der Schauspielerei widmete und in deutschen Filmen wie Der Nanny mitwirkte, begann sie 2022 damit, Musik zu machen. Im selben Jahr erschien ihr Debütalbum Nie verliebt, eine märchenhaft schöne Erzählung über die Probleme des Alltags. Seitdem sind zwei Jahre vergangen und die junge Berlinerin und ihre Musik haben sich weiterentwickelt. Die perfekte Scheinwelt des Erstalbums muss für ihre neue, düstere Platte Kleine Feuer weichen.
Mit ihrem Debütalbum Nie verliebt hat die 22-Jährige in 2022 ihr Leben wohl für immer verändert. Denn um es mal so zu sagen: Wer bisher noch nichts von Paula Hartmann gehört hat, muss das vergangene Jahr wohl verschlafen haben. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt erst am Anfang ihrer Musikkarriere stand, performte sie 2023 auf mehreren großen Festivals – auf dem splash!-Festival sogar auf der Hauptbühne – begleitete Cro als Voract bei seinem Konzert in Hamburg und spielte selbst eine fast ausverkaufte Deutschlandtour.
Meine Vorfreude auf das neue Album war somit unbeschreiblich. Ich bin gespannt darauf gewesen, ob Paula Hartmann mit ihrem Sound an Nie verliebt anknüpfen würde oder ob ihre neue Platte deutlich experimenteller ausfallen wird. Schwarze SUVs und Candy Crush erschienen als erste Singles und gaben einen guten Einblick in die Klanglandschaft und die Dynamik des neuen Albums. Zugegebenermaßen sind die beiden Songs spurlos an mir vorbeigegangen. Sie standen in keinerlei Verbindung mit ihren bisher eher ruhigen und lyrisch sehr gut gemachten Liedern.
Paula Hartmann veröffentlicht Single mit fragwürdigem Feature
Der Song sag was feat. t-low und DLIT (die Liebe ist tot) gaben mir wieder Hoffnung: So hatte ich Paula Hartmann in Erinnerungen. Bildliche Texte und eine klare Stimme, die nicht vom Beat überschattet wird. Fraglich blieb für mich, warum sich Paula Hartmann für ein Feature mit t-low für ihren Song sag was entschieden hat. Der deutsche Rapper aus Itzehoe ist in der Vergangenheit mehrfach negativ aufgefallen. Auf etlichen Festivals und Konzerten schien er betrunken zu performen – wie in diesem Tik Tok zu sehen ist. In einem Interview mit KISS FM spricht die junge Berliner darüber, warum t-low ihrer Meinung nach dennoch das richtige Feature für den Track ist. Paula Hartmann selbst sagt: „Mein Bezug zu diesem Song hat einfach so die Tür geöffnet, jemand anderem eine andere Wahrheit singen zu lassen. Da finde ich, gibt es niemanden, der das ehrlicher und bewegender macht als er.“ Sie sagt weiter, dass sie die Kritik an ihm als Person verstehen würde, sie aber auch hofft, dass der Großteil der Zuhörer*innen selbst versteht, warum niemand anderes den Text und die Emotionalität des Liedes besser aufgreifen könnte.
Mich hat sie mit dieser Erklärung restlos abgeholt. sag was handelt von Drogenproblemen, die die Überhand gewinnen und zum Tod führen könnten. T-low hat in mehreren Interviews bestätigt, dass auch er jahrelang drogenabhängig gewesen ist. Hierdurch erklärt sich, warum sich Paula Hartmann bewusst für ihn entschieden hat. Wie sie im Interview sagt, ist es ihr wichtig gewesen, dass der Song so lebendig wie möglich wirkt. Gegen Ende seines Parts rappt er die Zeilen „Sag was / komm, sag was/ ja, rett mich vor mir, denn sonst war’s das / fucked up / ja, t-low ein Wrack, ja“. Sie stehen sehr bildlich für das Thema des Songs und dafür, dass auch t-low sein Drogenproblem verstanden hat.
Mittlerweile ist sag was ist zu meinem Lieblingsfeature auf Kleine Feuer geworden – dicht gefolgt von Atlantis feat. Trettmann. Schon auf dem Album des HipHop- und RnB-Sängers Insomnia befindet sich ein gemeinsamer Track der Künstler*innen, deren Stimmen unheimlich gut harmonieren. Auch hier wieder eine sehr geschickte Künstlerauswahl. Denn ihr neues Album Kleine Feuer ist deutlich hiphop-lastiger und beatdurchträngter als sein Vorgänger. Das Besondere an der neuen Platte ist jedoch der Stimmungswechsel. Während sich der*die Zuhörer*in in Nie verliebt durch eine magische und zauberhafte Märchenwelt bewegt, sind die Texte und auch der Sound auf kleine Feuer deutlich düsterer. So stehen Themen wie Beziehungen und Herzschmerz, Depressionen, Partynächte und der exzessive Konsum von Drogen im Mittelpunkt. Sehr repräsentativ dafür steht meiner Meinung nach der Song 7 Mädchen. In der zweiten Strophe des Tracks singt Paula Hartmann folgendes: „Eine landet später noch auf der Trage / Keiner wird sie besuchen / Wimpern reißen und dann pusten.“ Die perfekte Scheinwelt ihres Erstwerks hat die junge Sängerin hinter sich gelassen und findet sich auf ihrer neuen Platte in der Realität wieder. Ihre Heimat Berlin wird zum Schauplatz ihrer zerplatzten Träume und Probleme.
Bildhafte Sprache & eine klare Stimme
Mein absoluter Lieblingssong auf dem Album ist Snoopy. Die Melodie und der Text des Tracks entfachen Gänsehaut bei mir. Mit dem ersten Ton werden die Zuhörer*innen an den Ort des Geschehens gebeamt. Sinnbildlich für den Titel des Liedes findet man sich im nächsten Moment auf einem Dach liegend wieder und beobachtet das Geschehen der Stadt. Durch die bildhafte Sprache verfolgen die Fans die Handlung durch die Augen der Sängerin. Mit Zeilen wie „Restmond erleuchtet den Park / Er hat sich kurz in den Bäum’n verhakt / Ihre lang’n Finger über Alleen / Verfang’n uns, um vom Losreißen dann zu erzähl’n“ wird wieder einmal deutlich, dass die 22-Jährige eine Meisterin des Storytellings ist.
Und das ist, was ich an ihrer Musik am meisten liebe: Ihre Texte machen nachdenklich, doch du bist nicht traurig, nachdem du sie gehört hast. Du fühlst dich eher aufgefangen, weil du das Gefühl hast, verstanden zu werden. Mit einer Leichtigkeit, die nicht viele Künstler*innen erschaffen können, setzt sich Paula Hartmann über die Schwere des Alltags hinweg und lässt einen wie in Snoppy für einen kurzen Moment lang schweben. Eine Ausnahmekünstlerin durch und durch – vor allem im deutschsprachigen Raum.
Umso traurig macht mich diese Zeile im Titeltracks ihres Albums: „Letztes Album / kleiner Spoiler.“ Das ganze Internet spekuliert darüber, wie sie diese Line wohl meinen könnte. Ich hoffe, dass dahinter nichts weiter als ein Promo-Move steckt. Denn meines Erachtens würde ihr Karriereaus eine große Lücke in der deutschen Musiklandschaft hinterlassen.
Fotocredit by Jakob Furis