Das Reeperbahn Festival 2019 ging auch dieses Jahr wieder zu schnell vorbei. Erfüllt nach vier Tagen voller Livemusik, Talks über Business, Film und Kunst, kehrt auf dem Kiez in Hamburg der Alltag wieder ein. MUSICSPOTS blickt zurück. Neben vielen unfassbar tollen Konzerterlebnissen und sehr inspirierendem Austausch in der Sonne und bei Vorträgen, gab es aber auch dieses Jahr auch ein paar Momente, die nicht so passend waren und nicht unerwähnt bleiben sollen.
Kann viel Musik zu viel sein?
Ich habe sie immer noch im Ohr: Die Sounds meiner Best of-RBF19 Künstler. Nein, es sind nicht Dope Lemon oder Feist. Ich habe auch dieses Jahr für mich wieder neue Musik entdeckt. Soul, der ins Herz geht, grossartige Stimmen, die bei mir sofort eine Gänsehaut hervorrufen haben und Darbietungen, die Bühnen wackeln liessen.
All diese emotionalen Augenblicke machen das Reeperbahn Festival für mich aus. All dies war jedoch deutlich weniger als die Jahre zuvor zu finden. Auch dieses Jahr war das Programm wieder voll gepackt. Vielleicht sogar zu voll.
Die Vorfreude auf das Festival stieg mit jeder Ankündigung. Die News schienen sich im Vorfeld mit große Namen übertreffen zu wollen. Ray Cokes moderierte mit Charlotte Roche die Eröffnungsshow, Peaches und Joy Denalane standen auf der Bühne der Aftershow Party und Steven Gätjen erzählte der Welt, welche Newcomer den Anchor Award nach Hause tragen dürfen. Super? Nicht für mich. Es schien, mehr als zuvor, als ob das Reeperbahn Festival gerufen hätte und alle wären nach Hamburg gepilgert.
Mir war es dieses Jahr zu viel roter Teppich, zu viel Namedropping, zu viel Schlange stehen. Die Suche nach echten Newcomern im Line-Up des Reeperbahn Festivals schient fast vergeblich zu sein. Bands, wie die Leoniden oder die Mighty Oaks kenne ich bereits. Sie stehen nicht auf meiner MUST-See Liste vom 18.09. – 21.09.2019. Früher hatte ich das Gefühl, hier auf der Reeperbahn kann man die Talente von morgen entdecken. Heute liest sich das Programms für mich wie das jeden anderen Festivals.
Ich bin eigentlich kein Festival-Fan. Wenn das Event zu groß wird, bin ich nicht dabei. In Gesprächen mit Branchenfachfrauen und -männern wird mir dieses Jahr immer wieder bestätigt: diese echten Newcomern, die noch keiner kennt, die gibt es beim Reeperbahn Festival scheinbar wirklich kaum noch. Vielleicht auch eine Frage des Budgets und der Erfolgschancen für Gastgeber und Gäste. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf. Ich konzentriere mich vier Tage auf die besonderen Bühnen und findet so die Perlen aus dem großen Angebot für MUSICSPOTS.
Sichtbarkeit, Gleichberechtigung & Wissen
Hits Hits Hits, scheint die Welt zu wollen. Immer mehr Acts strömen auf den Markt. Richtig angehört wird kaum noch etwas – es wird kurz gestreamt. Wie man sich richtig positioniert, seine Musik zu einer Marke macht und aus der breiten Masse im Streaming-Angebot heraussticht, stand u.a. auf dem Programm der Reeperbahn Festival Konferenz.
Kristine Annett Wegner, Inhaberin novoomusic und Musikliebhaberin war natürlich mit Blick auf das Musikbusiness unterwegs. „Besonders der Talk zum Gap zwischen Musik und Film mit Matt Dillon war für mich eine logische Konsequenz. Es geht ja immer ums Storytelling: In der Musik, im Film, bei der Promotion, im Social Media und selbst im Photoshooting. Letztlich finde ich es ein gelungenes Konferenzprogramm. Es ist für jeden etwas dabei gewesen: Für den jungen Künstler ein Panel zum Thema Songwriting mit dem großartigen Dirk Darmstädter (The Jeremy Days). Branding im Musikbusiness über Berufung and natürliche Selbstdarstellung mit Petal Largie, die mit ihrer natürlichen Art Künstler bei den Major Labels betreut. Youtube und Deezer mit ihren Workshops rundeten das Programm ab. Für mich ein schöner Querschnitt durch Musikbusiness, wo sich jeder seins rausziehen konnte“, fasst sie die Tage auf der Konferenz zusammen.
Networking & Business
Auch auch dieses Jahr stand wieder wieder das Thema Gleichberechtigung und Sichtbarkeit für Frauen im Fokus des Festivals. Gemeinsam mit internationalen Partner*innen wie u.a. der PRS Foundation hat das Reeperbahn Festival den Keychange-Pledge entwickelt. Ziel ist es bis 2020 die Bühnen geschlechter-ausgeglichen zu besetzen. Durch die Einführung der 50/50-Quote kann, so Keychange, eine Gleichberechtigung in der Musikbranche erreicht werden.
Rückblickend auf vier Tage voller Präsentationen und Talks sagt Keychange Programmleiterin Christina Schäfers: „Wir sind froh, dass unsere Absichtserklärung, bis 2022 ausgeglichene Line-Ups zu präsentieren bereits derart viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden hat – mittlerweile haben sich weltweit bereits rund 280 Musikorganisationen und Festivals dem Vorhaben angeschlossen und es werden jeden Tag mehr. Zu dem wird das Thema Geschlechtergerechtigkeit an breiter Front diskutiert – in Workshops, auf Panels und in Diskussionen, sowohl auf, als auch hinter und vor der Bühne widmen sich kluge, engagierte und gut vernetzte Menschen der drängenden Frage, wie wir in Zukunft besser zusammen arbeiten können.“
Reeperbahn Festival neue Musik
Schön zu sehen, dass Netzwerken auch in der Musikbranche gut funktioniert. Mit der online Community Raketerei aus Hamburg und den Music Women Germany haben speziell Musikerinnen gleich zwei echte Anlaufstellen um sich untereinander auszutauschen. Auch MUSICSPOTS hat in den letzten Monaten immer wieder tolle Tipps bekommen, die den eigenen Musikhorizont erweitert haben. Besonders schön ist es Acts so zu entdecken, die man selber nicht auf der Liste hatte. Gut geht dies immer auf dem Reeperbahn Festival, in dem man sich einfach von Freunden mitreißen lässt. Auch dieses Jahr war wieder alles anderes als erwartet. Und die Top 10 Liste der Acts, die ihr euch merken solltet, ist in Vorbereitung.
Wer MUSICSPOTS während des Festivals auf den Social Media Kanälen folgt, der kennt sicher bereits die Top 3 Acts:
Onejiru – deren neue Popsongs international gehört werden müssen
DOBBY – für Fans von frischen HipHop Beats und smoothen Texten absolute Pflicht
Madison McFerrin – eine gleichzeitig starken und sanfte Stimme mit Stil, Können und Leidenschaft.
Auf der Suche nach den Stars von morgen
Die komplette Top-Ten Liste der Acts, die ich auf dem Reeperbahn Festival entdeckt habe, gibt es in Kürze im zweiten Teil der Review. Reeperbahn Festival bedeutet für MUSICSPOTS ja auch immer: KünstlerInnen und Künstlern eine Bühne zu geben – vor, während und nach dem Festival.
Seid ihr auch auf dem Festival gewesen? Welche Konzerte gehören zu euren Highlights und wie habt ihr das Festival dieses Jahr erlebt? Schreibt gern hier in die Kommentare, auf Facebook, Twitter, Instagram oder per Mail.
Copyright: „Keychange Doors Open“ by Michael Rathmayr; Titel „NDR Blue Backstage Alte Liebe“ by Marvin Contessi, weitere Bilder by MUSICSPOTS