Die Stücke klingen wunderschön und sind gleichzeitig ein deutlicher Seitenhieb an unser schlechtes Gewissen. Ami Warning singt auf ihrem neuen Album Auszeit über Zeit für uns selbst, Selbstfindung und Reflektion der eigenen Lebensweise. Dabei macht sie sich frei vom Druck, der uns aus den sozialen Medien in Konformität zwingt. All das in einem groovenden Gewandt zwischen tanzbaren Pop und HipHop, gemischt mit leichtem Reggae, viel Soul und in deutscher Sprache. Im Interview verrät sie mehr über die Entstehung des Albums.
Live erlebt habe ich Ami Warning 2019 ganz kurz auf dem Reeperbahn Festival. Ich erinnere mich noch gut an die junge Frau am N-Joy Reeperbus. Die Gitarre umgeschnallt hat sie mich in wenigen Sekunden eingefangen. Im Vorbeilaufen quasi gestoppt. Damals hatte ich sie bereits auf meiner Must-See Liste. Denn die rauchige, dunkle Stimme und das Talent, mit sanften Melodien und einfachen Worten ganze Geschichten zu erzählen, scheint der Musikerin leicht zu fallen.
Ami Warning klingt auch heute noch leise, unaufdringlich und wendet sich direkt an ihre Zuhörer*innen. Sie spricht uns an und sicher auch vielen aus dem Herzen. Das neue Album, das am 02.08.24 erschienen ist, ist anders als die letzten Stücke. Es ist ihr viertes Album und nach dem Mixtape Kurz vor dem Ende der Welt (2022) und Momentan (2019), auch der zweite Longplayer, den die in München beheimatete Musikerin in deutsch verfasst hat.
Nach dem Auftritt 2019 habe ich den Weg von Ami Warning nur aus der Ferne begleitet. Erst mit Wie lang?, der ersten Veröffentlichung des Albums im Oktober hat sich die Musikerin wieder in mein Ohr und Herz geschlichen. Beim Hören der elf neuen Stücke bemerke ich schnell den Wandel. Erzählten ihre Songs früher viel von einem wir, einem Blick auf andere, geht es hier mehr um ein Ich und notwendige Selbstreflektion. Dies bestätigt sich auch bei meinem Interview.
Ami Warning ist bei unserem online Treffen gerade in Leipzig, wo sie am Abend auftritt. Offen und gut gelaunt erzählt sie über das Album und seinen Entstehungsprozess.
“Ich habe noch nie so viel selber gemacht wie bei diesem Album. Ich habe die Songs selber geschrieben, mir überlegt mit wem ich gern ins Studio will, die Videos geplant und mir überlegt welche Musiker*innen ich als Feature einladen möchte. Dann habe ich gemerkt, dass, wenn alles zu gedrängt ist, ich das auch nicht mehr genießen kann. Man sollte sich Pausen nehmen, um alles zu verarbeiten und auch bewusst zu erleben. Dadurch sind dann die Songs entstanden. Ich glaube, das hört man auch.”
Das tut man. Bereits der Titeltrack Auszeit lädt dazu ein, sich zurückzulehnen und alles was stresst hinter sich zu lassen. Der Track ist im Urlaub entstanden. “Es ist auch immer noch ein Thema, dass ich mir bewusst Pausen nehmen muss. Ich bin nicht so gut darin, mir Zeit für mich zu nehmen,” sagt die Musikerin. Davon handeln mehrere Stücke auf dem Album. Sie singt von ihrer Erfahrung, sich aus dem Zwang rauszunehmen, ständig online und präsent da zu sein. Sie spricht von der Unruhe, die einen umgibt, wenn mal nichts zu tun ist.
Auch das Stück War dabei ist in diesem Urlaub auf Aruba entstanden. Ich frage nach, ob der Song auch so final umgesetzt wurde. “Gerade neulich habe ich mir das Videos wieder angeschaut. Es zeigt, wie ich die ersten Skizzen des Songs aufgenommen habe“, sagt Ami Warning. „Ja, so ziemlich ist der Song auch nun auf dem Album. Die größte Änderung ist, dass ich beim Einspielen noch Fatoni gefragt habe, ob er noch Lust hätte, einen Part reinmachen. Die Grundform von dem Song ist aber auf Aruba entstanden.“ Ein tolles Feature, das den Stil von Ami Warning perfekt ergänzt.
Das Album ist nicht komplett in diesem einen Urlaub entstanden. Die letzten zwei Jahre hat sich Ami Warning immer wieder Zeit bewusst Zeit genommen, an neuen Stücken zu arbeiten. Sie war wiederholt im Studio in Berlin, hat Videos aufgenommen und erzählt ganz offen: „Es war viel los in den letzten zwei Jahren. Es dauert halt seine Zeit, bis so ein Album fertig ist mit allen Songs und Videos, die es braucht.” Die Zeit, die Sorgfalt und die Liebe, die in die Produktionen geflossen sind, sind in den Feinheiten der Stücke zu hören. Hinzukommen viele kleine Einblicke, wie die gemeinsamen Sessions auf Instagram.
Sorgfältig ausgewählte Features
Die drei Features auf Auszeit sind sorgfältig ausgewählt. Neben Fatoni sind noch Oehl und Mola dabei. Wie diese Zusammenarbeit zustande kam, berichtet Ami Warning auf meine Nachfrage: “Mola sind auch aus München, Isa, die Sängerin, hatte mich zuerst gefragt, ob ich ein Feature auf ihrem Album machen möchte, was wir auch taten. Ich fand es dann einfach cool, wenn sie auch ein Feature bei mir machen würde. Gemeinsam mit den beiden (Markus und Isa von Mola), haben wir den Song dann in München aufgenommen.” Liebe ist Laut ist ein Stück über Trennungsschmerz, der durch den wiederkehrenden Drumbeat und die warmen Stimmen von Ami Warning und Isabella Streifeneder harmonisch ins Ohr geht.
“Mit Oehl wollte ich schon ganz lange zusammenarbeiten”, schließt Ami Warning die Entstehung der Features ab. “Hier bin ich einfach Fan. Wir hatten schon viele Skizzen hin- und hergeschickt und der Song ist nun auf den letzten Drücker auf das Album gekommen. Ich bin noch wach … wo bist du scheint auf den ersten Klick so gar nicht auf das Album zu passen. Ein elektronischer Beat dominiert das Stück. Das Tempo ist schnell, fast hektisch und greift die Unruhe auf, die einen umfängt, wenn man einsam nach langer gemeinsamer Zeit alleine im Bett liegt. Schlaflos. Auch hier wieder ehrliche Worte über das Erlebte, das viele kennen werden. Ein plötzliches Ende. Aus und vorbei.
Auf meine Frage, mit wem sie noch gern zusammenarbeiten würde, nennt Ami Warning direkt Nina Chuba, Peter Fox, Clueso oder Trettmann,. Hier schwingt gerade viel Berlin mit. “Viele ziehen nach Berlin”, lacht sie auf meinen Hinweis. “Da passiert einfach gerade viel.” Ob die Musikerin sich demnächst in der Hauptstadt niederlässt? Ich bin gespannt.
Bei der Betrachtung der Albumproduktion fällt mir bis auf, dass Ami Warning viel mit männlichen Musikschaffenden zusammenarbeitet. Nicht nur, aber doch ist es spürbar. Da ist die Band, zwei von drei Features und das Produzententeam. Da wir bei MUSICSPOTS das vorherrschende Ungleichgewicht in der Branche dadurch aufbrechen, dass wir mehr über weibliche und queere Acts berichten, frage ich nach.
Dank Support für mehr Vielfalt
“Die Zusammenarbeit,” erzählt Ami Warning, “hat sich einfach so ergeben. Das sind zum Teil alte Freundschaften. Ich finde es sehr wichtig. dass man sich gut kennt, wenn man viel Zeit miteinander verbringt.” Ihre Band besteht aus: Isaac Reed (Bass), Max Alberti (Schlagzeug), Benedikt Michael (Keyboard) und Maximilian List (E-Gitarre). Alles alte Bekannte aus München, sie musizieren bereits seit Studientagen miteinander.
“Aber auch mir ist wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen und empowern.” ergänzt sie. Wir sprechen über die Chance, mit dem Bespielen einer Bühne auch die Sichtbarkeit an andere benachteiligte Personen und Personengruppen weiterzugeben. Wir wissen beide, dass wir so zum Wandel zu mehr Vielfalt in der Musikbranche beitragen können. “Bei den Support Acts habe ich viele weibliche Acts dabei”, erzählt sie abschließend, mag aber noch keine Namen nennen. Ein paar Tage nach unserem Gespräch kündigt sie jedoch dann Ceci als Support-Act für den 21.11. in Mühldorf und am 22.11. in München an. Ami Warning, wie auch Ceci sind auch auf dem Lineup des diesjährigen Reeperbahn Festivals vertreten.
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Ami Warning live auf Auszeit Tour
06.11.24 Nürnberg – MUZ Club
07.11. 24 Leipzig – Neues Schauspiel
08.11. 24 Berlin – Privatclub
09.11.24 Hamburg – Bahnhof Pauli
14.11.24 Köln – Artheater
15.11.24 Bielefeld – Bunker Ulmenwall
16.11.24 Würzburg – Cairo
21.11. 24Mühldorf – Haberkasten
22.11.24 München – Ampere
23.11.24 Wien – B72
Tickets für die Konzerte gibt es hier
Bereits jetzt, mit den neuen Songs im Ohr, freue ich mich auf die Tour im November. Ein Album, das so sonnig und warm zu uns kommt, passt perfekt (vielleicht ersetzen durch trotzdem?)auch für die kalte Jahreszeit. Es ist eine Zusammenstellung von Songs, die uns zum Innehalten und Pause machen animieren. Es ist ein Album von einer Musikerin, die mit ihrem vierten Longplayer ihre eigene Stimme noch mehr gefunden hat. Die von sich für uns erzählt in einer leisen poppig souligen Weisen mit einer wiedererkennbaren schönen Stimme.
Wunderschön ist auch das letzte Stück Meer wil ich. Der perfekte Ausklang des Albums. Die Sehnsucht nach der Auszeit ist auch bei mir am Ende des Sommerurlaubs weiter groß. Das Meer zu sehen ist immer wieder beruhigend. “Wann fahren wir los? Worauf warten wir bloß.” Ich liebe diese bildliche Sprache, die Ami Warning auch hier wieder nutzt, um uns noch mehr von sich zu erzählen. Über das Verteilen von Likes, das hektische Rumlaufen und nichts fertig bekommen. Ich nehme das Stück als kleinen Rat an mich selbst mit. Neben Wie Lang? ist dies eines meiner Lieblingsstücke auf dem Album.
Abschließend kann ich sagen, dass Ami Warning meine hohen Erwartungen, die sie mit dem Release von Wie Lang? an das Album erfüllt hat. Auch wenn ich mir mehr als nur 32 Minuten Länge gewünscht hätte. So höre ich die elf Songs nun in beständiger Wiederholung und entdecke jedes Mal wieder etwas Neues. Mit den sechs vorab veröffentlichten Singles hat sie Spannung aufgebaut, aber nicht alles erzählt. Denn was Fans ab heute daheim auf Vinyl hören können, ist ein ganzes Album voller Gefühle, Träume aber auch Schmerzen über schöne Zeiten, Verlust und Sehnsucht, Und natürlich die Auszeiten, die wir alle brauchen.
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