Networking und Diversity im Musikbusiness. Ein wichtiges Thema, das auch auf dem Reeperbahnfestival und der Konferenz diskutiert wurde. Denn neben zahlreichen tollen Konzerten gab es spannende Vorträgen und Panel-Diskussionen. Am dritte Festivaltag gab es somit weniger Livemusik, dafür aber umso mehr direkten hochkarätigen Austausch.
Keychange – Women in Musikbusiness
Spannend ging es gleicht vormittags los, in der Keynote „Keychange“ präsentierte das Reeperbahnfestival gemeinsam mit der PRS-Stiftung das gleichnamige Projekt, das das Ungleichgewicht in der Musikbranche verändern möchte. Ziel ist eine 50/50 Quote in den kommenden 5 Jahren zu erreichen. Unter dem Motto „Empowering Women to Transform the Music Industry“ wurden die 60 ersten Teilnehmerinnen präsentiert. Moderiert von
Vanessa Reed (Chief Executive, PRS Foundation, GB) berichtete u.a. Alexa Fraser (Sängerin bei Warner Music) über ihr Engagement im Rahmen des Projektes. „Feminismus ist für mich nur eine Erweiterung des Begriffs „Humanity“, so Alexa Fraser. Die negative Auslegung, die ihrer Meinung nach immer mitschwingt, sollte nicht sein. Keychange bedeutet Tonartwechsel in der Musik und auch von daher ist dieser Name für das Programm besonders schön und passend. Das Projekt Keychange ist auch aus meiner Sicht wichtig, um dem immer noch unterrepräsentierten Frauenanteil im Musikbusiness eine Stimme zu geben, Frauen zu fördern und sie zu ermutigen, ihren Weg selbstbewusster in der Musikbranche zu gehen.
Diversity Is Good For You
Direkt im Anschluss berichtete Musikbusiness-Legende Keith Harris in seiner Session „Diversity Is Good For You“ von den Veränderungen im Musikbusiness und zeigte noch einmal auf, warum Vielfalt in der Musik zwingend erforderlich ist. Immer nur dieselben Akkorde, Tonfolgen und Zusammensetzungen von Bands machen keine Erfolge aus. Es braucht die Einflüsse der anderen Länder und Kulturen, um spannende neue Musik zu produzieren. Keith Harris, der u.a. mit Größen wie Marvin Gaye, und Diana Ross bei Motown gearbeitet hat und auch heute noch im Business tätig ist, machte den Zuhören sehr bildlich deutlich, dass sich die Musikindustrie zwar bereits gewandelt hat, es aber ständig notwendig ist, sich für die Vielfalt stark zu machen. Denn auch er sieht das bestehende Ungleichgewicht in der Musikindustrie. Eine Größe aus dem Musikbusiness, wie Keith Harris in Hamburg zu treffen, ist grossartig. Ich glaube, fast jeder Musikliebhaber hat mindestens eines seiner mitproduzierten Stücke von heute und damals im Schrank. Bei aktuellen Künstlern wie den Black Eyed Peas, Fergie, Madonna, Kelis, Earth, Wind and Fire und anderen mehr hat Keith Harris als Producer, Songwriter oder sogar Drummer seine feine soulige Note beigesteuert.
The Power of Networks
Die Sonne und die parallel stattfindende Next Konferenz verführten zu einer ausgiebigen Mittags- und Cafépause mit vielen Talks zwischen Musik, Bloggen, Bigdata und Trends. Auch wenn ich auf den ersten Blick enttäuscht war, dass die Next nun ein paar der Reeperbahnfestival Locations eingenommen hat, so führte die örtliche Nähe der Veranstaltungen zu verstärktem Austausch und der Möglichkeit Bekannte zu treffen, die nicht für das Festival angereist waren. Der Besuch der Partner-Session „The Power of Networks“ war somit eine Selbstverständlichkeit.
Gemeinsam im Team mehr erreichen
Auf dem Panel bei der Session waren: Andrea Rothaug (u.a. Geschäftsführerin bei RockCity Hamburg e.V.) und Katrin Hesse, die das im Sommer gegründete Netzwerk musicHHwomen – art.business.media. vorstellten. Mit dabei natürlich auch Carolin Neumann, die vor sechs Jahren die Digital Media Women e.V. (#DMW) mitgegründet hat und Robert Franken, der als Digital & Diversity Consultant das Netzwerken zu seiner Passion gemacht hat und als Fachmann für Themen wie Digital Leadership, Gender Equality and Feminism gilt. Moderiert von Jenny Schwanenberg, wurden die Vorteile von beruflichen und privaten Netzwerken, sowie das Für und Wider von reinen Frauennetzwerken diskutiert. Schnell waren sich alle einig: Ein Netzwerk für Frauen bietet einen Schutzraum, um Dinge auszuprobieren. Es eignet sich gut, um schnelle Lösungen zu finden. Das Miteinander und der intensive Austausch fördern den Einzelnen und die Gemeinschaft.
Und dies wurde auch von den Panelteilnehmern in nachfolgenden Gesprächen noch einmal bekräftigt.
Carolin Neumann (Journalistin, Ideenschürferin, Mitgründern der Digital Media Women e.V):
„Ohne die #DMW wäre ich heute vermutlich ein anderer Mensch, hätte eine andere Karriere gemacht und meine Tochter gäbe es auch nicht. Eine ziemlich düstere Vision. Aber davon abgesehen haben die Digital Media Women mir über die Jahre immer wieder Energie gegeben, mich im Digitalen zu bewegen, auch wenn es mal steinig und extrem anstrengend war. Viele Jahre habe ich sehr intensiv genetzwerkt und dabei viel gelernt, nicht zuletzt über mich selbst. Ich bin heute viel selbstbewusster in meinem Beruf, auch dank meiner Mitgründerinnen, all der aktiven Organisatorinnen und so vieler spannenden Menschen (nicht nur Frauen), die ich über das Netzwerk kennengelernt habe!“
Robert Franken (Digital & Diversity Consultant, Speaker, Activist):
„Netzwerke für Frauen können mehrere sehr positive Effekte haben: Sie machen Frauen sichtbar, bringen neue Kontakte und schaffen ein Gefühl von Gemeinsamkeit. Letzteres ist insbesondere vor dem Hintergrund gemeinsamer Problemwelten wichtig. Gleichzeitig sind Netzwerke eine tolle Inspirationsquelle. Auf dem Weg zur komplementären Potenzialentfaltung der Geschlechter sind sie so ein wichtiger Baustein.“
Und auch seitens Keith Harris wird diese Wichtigkeit und der spürbare Effekt von Frauennetzwerken in England noch einmal im nachträglichen Austausch bekräftigt:
Keith Harris (Music Industry Consultant):
„I think that certainly in the UK networks for women have been very effective in building confidence for women in the industry by sharing personal experience. They have also been a very effective way of making sure that a wide range of women candidates are aware of job opportunities as they arise, and put themselves forward. The modern business has become much more aware of the benefits of having a diverse workforce, and that since women are over fifty per cent of the population, it has obvious positive effects when they are properly represented as decision makers.“
Und ich kann mich diesen Worten nur anschließen. Mein ganz persönliches Fazit als aktive Unterstützerin der #DMW, sowie als Musikjunkie, als musicHHwomen: Ich kann Branchen-Netzwerke für Frauen nur befürworten. Sie bieten die Möglichkeit, offen die eine oder andere Fragen zu stellen, sich auszuprobieren und zu wachsen. Ich kann aus meiner Erfahrung betonen: Nutzt die Chance zu diesem Austausch und Wissensaufbau im geschützten Raum. Ich habe in den vergangen Jahren soviel gelernt, wie nie vorher on-the-job. Traut euch, kommt zu den angebotenen Veranstaltungen, stellt Fragen, vernetzt euch, ob online oder offline und sprecht miteinander. Denn aktuell fehlt leider vielen Frauen noch der Mut, selbstbewusster gerade im Business zu agieren, was schade ist.
Rückblicke ins nächste Jahr Reeperbahnfestival
Ohne diese beiden inspirierenden Netzwerke hätte ich dieses Jahr sicher kein so tolles Reeperbahnfestival gehabt. Daher danke ich noch mal in alle Richtungen. Ich freue mich auf weiteren spannenden Austausch.
Und damit endet leider auch die Reeperbahnfestival-Review 2017. Den letzten Tag, den Festival Samstag, konnte ich nicht mehr besuchen. Online verfolgte ich die Verkündung des Anchor Awards. Gewonnen hat den Anchor 2017 nicht wie erwartet Alice Merton, sondern Jade Bird. Am Abend kam noch Liam Gallagher zur Nachfeier seines Geburtstags ins Docks und das Highlight des Abends war wohl Moop Mama, die das Mojo rockten.
Es war mir wieder ein Fest, beim Reeperbahnfestival dabei gewesen zu sein. Das traurige Gefühl, dass es bereits wieder vorbei ist, schwindet mit Blick auf die schönen Momenten und den Ausblick auf das kommenden Jahr. Vom 19.09. – 22.09.2018 ist es wieder soweit. Der Vorverkauf mit den Early Bird Tickets hat bereits begonnen. Wir sehen uns auf der Reeperbahn.
Die musikalischen Rückblicke von Musicspots gibt es in der Review Teil 1: Live Music. und Review Teil 2: Soul, Pop, Rock.
Und einen schönen Rückblick in Bild und Ton bietet, wie gewohnt das Reeperbahn Festival Aftermovie:
Fotocredits:
Titel by Nina Ivanov for Reeperbahnfestival; Keychange Instagram Post by Sebastian Linder/GEMA; Keith Harris by Robert Franken; Carolin Neumann by Rieka Anscheit; Robert Franken by Sung-Hee Seewald Fotografie; Keith Harris by PPL; Panel Networking by Musicspots.