Alle schwärmen von der neuen Kaulitz-Doku. Und wenn alle das toll finden, bin ich von vornherein skeptisch und verweigere mich. So war es bei Harry Potter, Taylor Swift, K-Pop und den Tributen von Panem. Ich bin anders, ich laufe nicht der Menge hinterher. Als Kind der 90er, das Anfang der 2000er echten Metal und Punk gehört hat, konnte ich mit dem Baby-Gothic à la “Durch den Monsun” nie etwas anfangen. Den Hype habe ich einfach nicht verstanden.
Ebenso habe ich mich dem Kaulitz Hills Podcast und dem Gossip rund um die beiden verweigert. Mich interessieren Tom und Bill einfach nicht. Aber wie kam es dann, dass wir (mein Mann und ich) doch auf Netflix eingeschaltet haben? Mehrere Punkte kamen zusammen: Sonntagnachmittag auf dem Sofa, Langeweile, schlechtes Wetter und ein gehöriger Kater mit Schmerzen bis in die Haarspitzen.
Wir wollten leichte Unterhaltung und etwas zum Aufregen, etwas, worüber wir sagen konnten: Haben wir doch gewusst, dass es schlecht wird. Tja… was soll ich sagen: Hat nicht funktioniert. Es dauerte keine fünf Minuten, und die Dokuserie hat uns in den Bann gezogen. Wie kann man bitte so ehrlich, sympathisch und absolut liebenswürdig rüberkommen, trotz des ganzen völlig überzogenen Reichtums? “Können wir denen nicht mehr Geld bieten, damit wir das Haus bekommen?” Nicht mal das nimmt man den Zwillingen übel. Wir wären wahrscheinlich genauso, wenn Geld kaum eine Rolle spielen würde.
Es geht um Geburtstagsfeiern, den Podcast, Fotoshootings, aber noch viel mehr um die beiden selbst: Das Leben, die Schwierigkeiten, zu sich selbst zu finden, aufeinander zu achten und ehrlich zu sein, auch wenn das den anderen verletzt. Das Glück, einander zu haben und wundervolle Momente miteinander zu teilen. Es gibt so viele Momente, da möchte man vor allem Bill einfach in den Arm nehmen. Der Weg, zu seinem Leben zu stehen, und die Suche nach Liebe.
Und ganz nebenbei geht es auch um die Band und die Probleme, die der Ruhm mit sich brachte: Die Angst vor Menschenmengen, das Verbiegen auf Anraten falscher Manager. Dinge, die sich bis heute durch deren Leben ziehen. Die Angst davor, sich eben nicht einfach Schmalzkuchen auf dem Weihnachtsmarkt zu holen, weil man Angst vor einem Menschenauflauf hat und keine Security dabei ist. Das stimmt unglaublich traurig.
Trotzdem strahlen beide eine unbändige Lebensfreude aus. Sie lachen übereinander, über sich selbst und vor allem miteinander. Man spürt in jeder Folge das enge Band der Brüder. Mein Mann und ich haben selten so bei einer Doku gelacht – und zwar mit den beiden. Wir haben uns selbst in ihnen entdeckt. Ich bin eindeutig wie Bill und mein Mann wie Tom, nur ohne Heidi.
Mist, jetzt bin ich gefangen und habe doch noch mal in die Musik reingehört. “Durch den Monsun” habe ich beim CSD sogar lauthals mitgesungen, aber mein Favorit ist “Girl Got a Gun”. Das läuft bei mir in Dauerschleife.
Leute, schaut diese Doku nur an, wenn ihr wirklich damit klarkommt, am Ende Tokio Hotel und Kaulitz-Fans zu sein. Ich kann das nächste Konzert gar nicht erwarten!
Und eine letzte Frage: Warum hat Bielefeld eigentlich keinen Flughafen?
Fotocredit: Netflix
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