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Schrottgrenze – Das Universum ist nicht binär: Track by Track Review

Bereits mit dem Titel ihres Albums setzen Schrottgrenze ein deutliches Statement für Weltoffenheit, Respekt und ein offenes Miteinander. Die einstige Punkband hat sich mit Das Universum ist nicht binär einen Ehrenplatz in der MUSICSPOTS Bibliothek gesichert. In der Track by Track Review erzählen wir euch warum.

Zugegeben, die Stücke von Schrottgrenze gehören nicht zu der Musik, die hier täglich läuft. Die ehemalige Punkband stammt zwar aus meiner persönlichen Heimat Niedersachsen und auch in Peine habe ich in meiner Jugendzeit den einen oder anderen Stopp gemacht. Dennoch, wie gesagt: eigentlich nicht meine Musik. Bis jetzt. Denn mit dem neuen Album hat die Band um Saskia Lavaux den Sprung in unsere Musikwelt geschafft. Wie? Durch unvergleichliche Melodien, knackige Textbotschaften und Videos, die so gut gemacht sind, dass man hofft, sie würden den Weg ins Kino und große Leinwände schaffen.

Lange habe ich mit den passenden Worten gerungen. Ich habe Halbsätze geschrieben, verworfen, neu angesetzt, das Album in Dauerschleife gehört und Freunden empfohlen. Dann wieder verworfen, neu angesetzt … ihr kennt das Spiel. Nun endlich, nach wochenlangem hin und her, hab ich die passende Unterstützung gefunden: Andreas, den Sandra bereits  hier im Zwischenruf von unserem Talk & Listen Podcast vorgestellt hat, gesellt sich dazu. Gemeinsam konnte die Review Fahrt aufnehmen.

Wir wollen euch das Album in unserer besten Track by Track Manier vorstellen. Offen und ehrlich, frei von Floskeln. Denn, wir wissen: Das, was ihr von uns wollt, ist eine persönliche Empfehlung. Von Fans für Fans. Und genau das bekommt ihr hier.

Also dann mal los. Wir nehmen euch heute mit in den Backstage Bereich von Planet MUSICSPOTS. Dorthin, wo Musiknerds und Musiker:innen immer wieder auf geballtes Expert:innen-(Un-)Wissen treffen. Wo Musiknews heißer diskutiert werden als Frittenfett und nichts so schnell kalt ist, wie der übermäßig geklickte Release aus den Charts. 

Track by Track Das Universum ist nicht binär

1. Das Universum ist nicht binär

Andreas: “Und alle so: Yeah!” und ich so “YEAH!”. Endlich eine Indie-Rock-Band mit Texten für mich. Gitarrenriffs, Schlagzeug, etwas Elektronik und nicht binäre diverse Texte, das fühle ich sofort. Ich werde in die frühen 2000er mit den “Sportfreunden Stiller” komplimentiert, aber mit diesem Text kann ich mich identifizieren. Das macht Lust auf die weiteren Songs.“

Caro: „Dieser Song gehört für mich zu den Highlights der Platte. Schrill, poppig, knallig, dazu ein paar krachende Gitarren und Schlagzeug. Er hat alles, was man braucht, für einen Aufruf für eine bessere Welt. Leider ist alles derzeit noch Utopie. Von einer Welt ohne Geschlechtergrenzen und Schranken sind wir leider noch weit entfernt. Ein gut gewählter erster Track, der uns Losfliegen lässt. Das Video mit Thord1s ist wunderbar spacig.“

2. Boomer Tränen

Andreas: “und immer konsequent beratungsresistent”. Oh so wahr. Dieses Lied werde ich bei jeder Online Diskussion mit Boomern als meine abschließende Antwort posten. Da hast Du! Wenn ich so lebe, dass die besungenen Boomer weinen müssen, habe ich alles richtig gemacht.“

Caro: „Schrottgrenze nehmen auch im zweiten Song das Tempo nicht raus. Deutlich wird die Kritik im Handeln der Baby-Boomer Generation geäußert. Sich starr an das Altbewährte klammern, sehendes Auges in den Abgrund rasen und die Ignoranz des notwendigen eigenen Wandels leben. Hart aber deutlich.“

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3. Girlanden

Caro: „Und da sind wir doch wieder in den 90er angekommen. Ein tanzbares Intro, das sich sofort im Kopf festsetzt. Oder will ich diesen Song doch an der Bar genießen? Ich glaube ja. Der Text ist eher poetisch. Doch das Warten auf Hoffnung in der Wiederholung lässt mich 

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leicht am Rand der Tanzfläche mitwippen. “Wir sind Girlanden und wachsen über uns hinaus” ist eine dieser wunderschönen Textzeilen, die im Kopf bleiben.“

Andreas: „Hier starten wir deutlich poppiger und entspannter. Die samtweiche Stimme von Saskia und der poetisch philosophische Text stehen eindeutig im Mittelpunkt. Catcht mich erst beim dritten oder vierten Mal anhören, aber dann mit voller Wucht. Hat ein bisschen was von Pur in den 90ern und das meine ich im besten Sinne.“

4. Männerphantasien

Andreas: „Die Welt von heterosexuellen cis-Männern bringe ich manchmal durch meine pure Anwesenheit zum Wanken. Ich bin tätowiert, habe sehr kurze Haare, bin eher bullig und lasse meine Weiblichkeit trotzdem raus und zu. Das ist anscheinend ein Angriff auf das Patriarchat und um diese Männer geht es in diesem Song. Ein Song mit elektronischen Einflüssen und trotzdem Indie-Power. Schön kämpferisch und mega Message. Die beschriebenen Männer braucht keine Welt! “Ich drück ignore!”“

Caro: „Ein sanfter Start, dann kurz Warten und da wieder der treibende Rocksound. Cool gemacht. Besonders mit dem gemeinsam gesungenen Chorus zu Beginn im Antwort-Echo-Chor-Stil. Wieder Melodien zum Mitsingen. Einfach gehalten und im Text komplexer als vielleicht gedacht. Dieser Schlag geht hoffentlich direkt in die Entscheidungsebenen der Veränderungsbremser.“

5. Dysphorie

Andreas: „Story of my life! Ich erkenne mich absolut wieder in diesem Text. Ich liebe den treibenden Rhythmus. Dieser Track erinnert mich daran, dass der Druck in mir selbst entsteht. Ich bestimme mein Leben und den Druck lass ich nicht mehr zu, leider nicht immer, aber immer häufiger.“

Caro: „Besserwisser, Tippgeber und ständig helfen-wollende, machen es nicht immer besser. “Und alle kennen mich besser als ich mich selbst”, sollte man viel öfter laut sagen.“

6. Immer für dich da

Caro: „Pop how it has to be. Ein Stück zum sich Umarmen. Total schön. Ganz sanft begonnen mit der Untermalung der Gitarre und leichtem Schlagwerk. Irgendwie erinnert mich der Song an Abifeier-Romantik und Fury in The Slaughterhouse. Wobei es hier um echte Liebe, Zuneigung und Dankbarkeit geht. Schrottgrenze lassen Wehmut und Freunde aufkommen. Ich denke, dies ist auch ein echt tolles Livestück.“

Andreas: „Oh, das Liebeslied der Platte ❤️ Dieses Lied würde ich gerne meinem Mann widmen. Den Link schicke ich ihm sofort rüber. Schöne ravelsche Steigerung, das mag ich. Zum Schluss hätte ich mir nochmal etwas mehr Textvariationen gewünscht. Auf Konzerten kann das aber zu einer tollen Interaktion mit dem Publikum führen – ich bin gespannt.“

7. Happyland

Andreas: „Was sich erstmal total fröhlich anhört, ändert sich, wenn man mal auf den Text achtet. Das Problem und der Druck der Social Media Generationen: Man sieht nur glückliche Menschen an tollen Orten, die so teuer sind, dass wir es dort nie hinschaffen werden. Trotzdem bleibt das Lied “happy” und was für eine schöne Überraschung, wenn bei Strophe Zwei Finna einsetzt.“

Caro: „Mein Tipp ist hier: Schaut euch das Video an. Wir schauen Schrottgrenze und Finna beim Dreh über die Schulter und können zusätzlich zu den gesungenen Textzeilen noch viel mehr Wahrheit herauslesen. Good Vibes, Perfektion und endlose Happiness sind halt nicht alles, was unsere Welt zusammenhält.“

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8. Emanzipation im Alltag

Andreas: „80er NDW im modernen Gewand. Sehr minimalistisch, mir zu minimalistisch. Für mich verliert sich der Track in Eintönigkeit, die auch die E-Gitarre am Ende nicht wieder auflösen kann. Schade, denn der Text hätte noch mehr Potential gehabt und die Keyboard Hook erst recht.“

Caro: „I like. Den Takt, Beat und besonders die Gitarre. Ich liebe die Stimme von Saskia Lavaux hier und das Piano. So simpel wie er ist, finde ich ihn auf keinen Fall zu eintönig. Ganz meins. Vielleicht der passende Schrottgrenze-Einsteiger-Song?“

9. Bürokratie

Andreas: „Da ist der Indie-Rock endlich wieder und dazu der herrlich bissige Text über ein “seelenloses Biest”. Das treibende Schlagzeug, die Bassline und das E-Gitarrengeschrammel, herrlich. Ich glaube, keiner hat bis jetzt so schön über die Bitch Bürokratie gesungen.“

Caro: „Spürt ihr es auch, diese unfassbare Freude, wenn die „Liebesbriefe vom Finanzamt“ eintreffen. Ein Song zum Mitsingen, Lieben, Leiden und Lachen – wenn es nicht so ernst wäre.“

10. Roman & Ines

Andreas: „Die Geschichte zweier paralleler Leben, mit vielen Gemeinsamkeiten und doch keinen Berührungspunkten. Ein Problem, das meine Community schon lange beschäftigt und doch nicht vereint. Auch hier gibt es leider kein Happy End. Einfach mal rüber winken und ein Gespräch beginnen. Lasst uns gemeinsam leiden, freuen und feiern. We are the chosen family.“

Caro: „Ein tolles Erzählstück. Ob es Roman & Ines wirklich gibt, oder ob sie stellvertretend für zwei andere Menschen  stehen? Ich finde dieses Stück hat viel 80er Nostalgie und ebenso viele Ehrlichkeit. Es reißt mich aber nicht vom Hocker.“

Andreas: „Caro, mich catcht es, weil ich genau solche Leben aus meinem Bekanntenkreis kenne. Leben voller Sehnsucht nach der Vergangenheit, Einsamkeit und Schmerz, das hat der Song perfekt eingefangen.“

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11. Lieber Regen

Andreas: „Ja! Das ist dirty Punk mit Geschrammel. Was für ein tolles Ende des Albums mit unflätigen Ausdrücken und ich sehe mich selbst mitten im queeren Moshpit. Dieser Song beinhaltet die wütende Lösung, wenn die Utopie der glücklichen Welt eben nicht funktioniert und somit der perfekte Abschluss des Albums. “Alles fluten, alles abziehen”. Und ja, die Wut rauslassen tut auch mal gut.“

Caro: „Zum Abschluss nochmal mit Schwung. „Alles wegspülen“ und ganz viel authentische Menschlichkeit bis zu den letzten Resten. Laute Gitarren in diesem Song, diese Typen von toxischer Männlichkeit, Gewalt und Wut. Wow, was für ein heftiges Gemisch an Gefühlen. Mir ist Lieber Regen ein wenig zu krass, aber ich glaube das Stück muss so sein.“

Unser Fazit:

Caro: „Mit Das Universum Ist Nicht Binär, präsentieren uns Schrottgrenze ein Album, das die Bezeichnung Vielfalt mehr als verdient hat. Von treibenden schnellen Beats über kantigen Rock bis zu fast seichten Pop-Hymnen: Ein Album zum Tanzen, Feiern und Statements feiern. Mir persönlich sind die Stücke ab und an zu einfach im Aufbau von Melodien und Texten, doch genau das macht die Songs wiederum raus. Die Aussagen verschanzen sich nicht hinter gekünstelten Melodien, hier wird kein Blatt vor den Mund genommen. Will ich mehr? Ja, auf jeden Fall. Fan gewonnen!“

Andreas: „Endlich mal ein deutsches queeres Indie-Rock Album und dazu noch mit richtig guten Texten. Manche Songs waren mir zu seicht, aber die richtig rockigen haben es bei mir in die Lieblingssongs-Playlist geschafft. Das Album hat Stärken und Schwächen, aber die Richtung ist geil! Mehr davon und ich freue mich sehr aufs Konzert in Hamburg.“

Schrottgrenze live erleben

UNIVERSUM-TOUR 2023

27.04.23 Dresden – MusicMatch Festival
28.04.23 Stuttgart – clubCANN
29.04.23 Hamburg – Molotow
25.05.23 Ulm – GOLD
26.05.23 München – Feierwerk

12.10.23 Leipzig – Werk 2
19.10.23 Berlin – Badehaus

Wer die Chance hat, sollte jetzt wirklich zum Ticketschalter laufen. Wer die aktuelle Tour verpasst hat, tanzt vor den Videos mit Freunden im heimischen Wohnzimmer, der Küchenparty oder schreibt Schrottgrenze auf die Wunschlisten aller DJs dieser Welt. Und jetzt alle so: YEAH! 

Ganz besonderer Dank an Andreas für die wunderbare Zusammenarbeit.

Fotocredit: Chantal Pahlsson-Giddings

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