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Queer als Köder – Wann wird Haltung zu Marketing?

Queer ist endlich sichtbar. Kaum ein Tag vergeht, an dem bei uns von MUSICSPOTS nicht neue Musik oder ein Event landet, das sich stolz das queere Label verpasst hat. Anfangs waren wir begeistert, denn Sichtbarkeit und Vielfalt bedeuten uns viel. Doch mittlerweile macht sich Skepsis breit: Nutzen manche das Wort „queer“ vielleicht nur als schickes Marketing-Label, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen?

Festivals, Labels und Streaming-Plattformen schmücken sich gerne mit Regenbogenfahnen – aber ist queere Musik damit wirklich selbstverständlich geworden oder springt man nur auf einen Erfolgszug auf? Was genau macht Musik überhaupt queer? Reicht die Identität der Künstler*innen aus oder muss auch die Botschaft stimmen? Und wer entscheidet eigentlich, wann queere Musik wirklich queer genug ist?

Queere Musik ist mehr als Identität

„Queer“ – der Begriff ist bunt, vielschichtig und mittlerweile fast überall zu finden. Klar, Queerness kann vieles bedeuten: Identität, Sexualität, Lebensgefühl. Doch in letzter Zeit fällt auf, dass all diese Aspekte gern mal in einen großen „Regenbogen“-Topf geworfen werden. Das Ergebnis? Alles, was irgendwie bunt, schrill oder nicht genderkonform erscheint, wird direkt als „queere Musik“ gelabelt. Doch für uns reicht das nicht aus.

Nur weil jemand queer liebt oder queeren Sex hat, macht das die eigene Musik nicht automatisch queer. Genauso wenig genügt es, wenn jemand mit bunter Kleidung oder bewusst auffälligem Styling provoziert. Ja, diese Aspekte können Teil einer queeren Lebenseinstellung sein und sind oft auch wichtiger Teil der Darstellung nach außen. Aber sie allein machen für uns keine queere Musik.

Haltung, Botschaft und Veränderung

Queere Musik bedeutet für uns mehr. Queere Musik bedeutet, queere Themen offensiv anzusprechen, gesellschaftliche Normen bewusst infrage zu stellen, Diversität sichtbar zu machen – etwa in Musikvideos oder Songtexten. Queere Musik kämpft, positioniert sich klar und fordert Veränderungen. Es ist keine eigene musikalische Stilrichtung, kein Genre wie Pop, Soul oder Indie, sondern vielmehr eine gesellschaftliche und politische Haltung. Genau so, wie wir über linke, rechte oder feministische bzw. FLINTA*-Musik sprechen.

Musiker*innen und Bands, die sich der queeren Musik verschrieben haben, sollten in ihrer Musik dieses Standing für die queere Community auch zum Ausdruck bringen. Es geht um Haltung, Botschaften, aber auch um den Appell zur Veränderung, um Gemeinsamkeit und um das Aufbrechen von Normen. Queere Musik will gehört und gesehen werden – nicht als Marketingtrick, sondern als authentische Stimme einer Community.

Migati: Queerness als kraftvolles Statement

Bei seinem EP-Release-Konzert in Hamburg-Wilhelmsburg haben wir den queeren Künstler Migati gefragt, was für ihn das Besondere an queerer Musik ist:

„Queerness hat mittlerweile in der Musik zum Glück viele Perspektiven und Strömungen. Für mich hat es viel mit Hemmungen abbauen und dem Blick nach innen zu tun. Ich finde queere Musik dann interessant, wenn sie dem Patriarchat die Möglichkeit gibt, sich an ihr zu verschlucken.“

Was bedeutet dieses „Verschlucken“ konkret für uns? Es geht um das bewusste Ausbrechen aus normativen Strukturen der binär geprägten Branche. Das gelingt durchaus auch in scheinbar konventionellen Genres. Künstler*innen wie Orville Peck oder Doechii, die dem klassischen RnB, Rap oder Country angehören, transportieren ihre Message klar und deutlich. Sie sind aus unserer Sicht wichtige Stimmen, die die Botschaften der queeren Community sichtbar und hörbar machen.

Wenn alles nur Marketing ist

Wie eingangs beschrieben, begegnen uns vermehrt Bands und Künstler*innen, die sich durch den Zusatz „queer“ eine größere Sichtbarkeit versprechen. „Diesen queeren Artist müsst ihr anhören“ oder „Diese Band passt zu euch“ hören wir oft von Agenturen und Labels – doch nicht immer überzeugt uns diese Musik wirklich. Ein „queer“ als Signal reicht oftmals nicht mehr, um uns zu begeistern. Wir wünschen uns neben inhaltsvollen Texten auch gut gemachte Musik: Melodien und Beats, die ins Ohr gehen und das Verständnis für die Belange der queeren Community auch für andere transportieren.

Wir respektieren freie Künstler*innen und ihre Kunst, doch was wir aktuell fördern möchten, ist queere Musik, die sich z.B. in Richtung Pop bewegt, ihn gleichzeitig bricht und bereichert. Musik, die anders ist, Grenzen verschiebt und dabei eine breite Hörerschaft erreicht. Queere Artists gehören selbstverständlich in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rand.

Eure Meinung zählt!

Uns interessiert besonders, was ihr, liebe Musikschaffende, Kreative und Musikhörende, über das Thema denkt. Teilt eure Meinung gern mit uns über unsere SpeakPipe  oder per E-Mail.

Wir freuen uns selbstverständlich weiterhin sehr über queere Künstler*innen, die wir gerne hören und sichtbar machen wollen – vorausgesetzt, sie liefern gut gemachte Musik mit einer klaren Message. Weiterhin freuen wir uns immer über Unterstützung via Steady, damit wir als unabhängiges Musikmagazin weiter über Musik und das Business berichten können. 

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