Eine große queere Empowerment-Show auf kleiner Bühne.
Hamburg, ein regnerisch kalter Oktoberabend, das Cascadas voll und vibrierend: Menschen drängen sich dicht, Lichtkegel spiegeln, der Boden bebt, noch bevor der erste Beat einsetzt. Sofort spürt man: Heute geht es um mehr als Songs — es geht um Performance, um Bilder, Körper, Haltung.
Kyng eröffnet: K-Pop-Präzision trifft Pop-Attitüde
Kyng startet den Abend — als Support-Act, aber mit der Präsenz eines Headliners. Zwei Tänzerinnen begleiten jede Bewegung; die Choreografien sitzen taktgenau, wie man es von K-Pop-Bühnen kennt: messerscharfe Formationen, Snap-Posen, Drops auf den Beat, Call-and-Response mit dem Publikum. Musikalisch: modern produzierter Pop, der sich ungeniert bei K-Pop-Builds, Trap-HiHats und glänzenden Synth-Hooks bedient — cool, zeitgemäß, durch und durch tanzbar.
Und ja: diese Perücke! Ein Statement-Piece, perfekt gestylt, genau der Look, der nach dem Gig sofort virale TikTok- und Insta-Posts auslöst.

Hauptact Julia McCallion: Vier Tänzerinnen, vierfacher Impact
Dann Julia McCallion. Headliner, ohne Band, dafür mit vier Tänzerinnen und genau das macht den Unterschied. Jeder Song wird zur kompletten Show: Intro-Tableaus, Formationswechsel, clevere Bühnennutzung, präzise Akzente bis in Finger und Blickrichtung. Wo andere Acts ihre größten Refrains einfach „spielen“, inszeniert Julia McCallion sie mit Pop-Mainstage-Energie auf Clubdistanz.
Vokal stark und fokussiert, die Choreografien groß produziert, aber nah genug, um den Schweiß zu sehen und das Atemtempo zu hören. Inhaltlich zieht sich ein roter Faden durch den Abend: queere Selbstermächtigung. Nicht nur als Message, sondern als Körperpolitik: Raum einnehmen, Blickachsen drehen, Normen verschieben — und das Publikum wird Teil davon. Es fühlt sich an wie ein Stadionset im Miniaturformat: kompakt, straff, „die ganz Großen“ auf Armlänge.

Warum dieser Abend wirkt
Konzept statt Zufall: Beide Shows sind durchchoreografiert und vereinen Sound, Look, Bewegung und Licht.
Kontraste, die sich ergänzen: Kyngs K-Pop-Schärfe öffnet die Tür; Julia McCallion setzt mit Empowerment-Pop das Ausrufezeichen.
Clubnähe: Im Cascadas bedeutet drei Meter Abstand, dass jede Geste zählt. Es gibt kein Verstecken, nur Präsenz.
Venue-Notiz
Das Cascadas zeigt einmal mehr, wie intime Räume große Pop-Momente ermöglichen: zentral, nahbar, ein Publikum, das sehen will und nicht nur hören.
Wie kam ich auf dieses Konzert-Highlight
Ich habe Julia McCallion bei der Backseat-Reception auf dem Reeperbahn Festival kennengelernt. Zwei Sätze, ein Lachen und sofort war klar: Der Vibe stimmt und Julia McCallion hat mich einfach zu ihrem Konzert eingeladen. Genau so entdecke ich neue Musik am liebsten: über Begegnungen, die klingen, bevor man überhaupt etwas hört. KYNG habe ich bei Operation Ton 2025 getroffen — wieder dieses unmittelbare Match aus Haltung, Humor und Attitüde.
Dass sich diese beiden Fäden aus Begegnungen an diesem Abend verknüpfen, war für mich das eigentlich Große: Community auf der Bühne, Community im Raum. Und als ich nach dem Finale aus dem Club trete, habe ich zwei Gedanken im Kopf:
So fühlt sich queere Pop-Gegenwart an.
Ich will diese Perücke.
Du möchtest mehr über Konzerte von aufstrebenden Artists lesen, die du vielleicht noch nicht kennst? Dann komm in unsere Community und unterstütze unabhängigen Musikjournalismus via Steady. Du bist selbst Artist, dann ist unsere Community ebenfalls für Dich, denn sie ist der direkte Draht in unsere Redaktion.




